Thomas Schaffensgebiet. —
Thvma und der Steindruck.
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so scheinen, als sei das Figürliche in manchen seiner Bilder zwarvoll Eigenart, doch ohne die Vollkraft, die Eigenart frei darzu-stellen; als fühle er sich selbst hier gelegentlich unsicher. Nurwer verblendet ist, verschließt sich vor den Mißgriffen Böcklins.Nicht durch Anschwärmen, sondern dnrch ruhige Hiugabe wird maueinem ausgezeichneten Manue gerecht. Bei Thoma ist die Eigenartkaum minder stark, die künstlerische Kraft aber nicht gleich. Aufmich wenigstens wirkt er am herzlichsten, wo er ein Stück Natur,und zwar seinen heimischen Schwarzwald giebt. Da ist ein Rea-lismus von sonderbarer Frische uud Gemütstiefe. Maler sageu,man sehe noch den Farbentopf in seinen Bildern. Es ist nicht ganzder Eindruck überwunden, daß man erkennt, wie das Bild gemacht ist;man kommt nicht ganz über das Technische hinweg; Bild undGegenstand sind nicht völlig eines. Und doch ist in den Bildernein oft mit bescheidenen Mitteln erreichter Stimmnngswert, dennur ein ungewöhnlich tief empfindendes Herz in der Natur seheuund nachzubilden vermag.
Thoma malt auch gern das, was man nicht in der Naturselbst sieht, sondern was man vor ihr träumt, allerhand oft drolligeSachen! Da ist ein Meerwunder. Vier brüllende, aus der Flutauftauchende Meermänner, die auf eiuer Muschel ein Kind tragen.Was bedeutet das? Was hat das Kind in der Hand? Ich weißes nicht und Thoma weiß es vielleicht auch nicht. Es ist eben einMeerwunder; und Wunder soll man nicht deuten wollen! Denndas, was man erklären kann, ist eben kein Wnnder.
Die Quelle. Der Vorgang ist verständlich. Ein Jünglingtrinkt; ein daneben sitzendes Mädchen zögert, ihm Vergißmeinnichtzu reichen; Engel tanzen in der Luft, haschen Schmetterlinge undspielen mit dem Haar der Quelle. Sie ist keine Nymphe uudkeine Nixe. Willst du wissen, wer sie sei, und wer die anderensind, so dichte dir selbst die Geschichte nach. Der Maler giebt keinLehrbuch sür Mythologie, und nüchterne Verständigkeit ist das Endealler Stimmnng.
Und so geht es fort. Antike Gedanken werden aufgenommen,aber sie hören auf, antik zn sein. Jene beiden nackten Jünglingeim Eichenwalde werden Apoll nnd Marsyas genannt. Sie sind