Das Reichshaus, — Wallots Formensprache.
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Mehrfach mußte Wallot seineu Plan ändern. Das bot außer-ordentliche Schwierigkeiten. Denn es war ja die rasch hingeworfeneArbeit die einzige Grundlage, auf der er seine Stellung in Berlin anfbante. Und diese zeigte so viele herkömmliche Bildungen, sovieles, was notwendigerweise bei sorgfältiger Durcharbeitung fallengelassen werden mußte. Andere Anforderungen au die Raum-anordnung vollendeten die Schwierigkeit. Und doch durfte Wallotbei Neubearbeitungen nicht den EinWurf aufkommen lassen, seinneues Werk habe mit dem preisgekrönten Plane nichts mehr zuthun, er habe diesen selbst verworfen. Er mußte seine Absichtauf vollere, kräftigere Gestaltung gegen das Urteil der BerlinerArchitekten, gegen jenes des Kronprinzen Friedrich Wilhelm verteidigen.Hatte doch die Kronprinzessin wie beim Dombau, so auch beim Par-lament die englische Gotik zn Worte kommen lassen wollen, nannteder Kronprinz den Entwurf doch Cirkusarchitektur, der KaiserWilhelm II. deu Bau später den Gipfel der Geschmacklosigkeit undstimmte er doch noch mit seiner Mutter iu dem Urteil übereiu,daß das Parlamentshaus in London , wie es Barry in den vier-ziger Jahren entwarf und wie es Steindl in Pest ohne viel Geist nach-ahmte, dem deutschen Werke erheblich überlegen sei. Die Erkenntnis,daß Wallot ans dem Wege sei, ganz neue, eigenartig deutsche Kuust-formeu zu finden, verbreitete sich weitaus schneller unter seinenjüngeren Knnstgenossen als im Volke selbst. Die Meinungen derälteren Fachgenossen freilich zeigten entschiedenen Widerspruch gegeudiese Neuerungen. Die Akademie des Bauwesens, jene Vereinigungvom Staat berufener Fachleute, forderte die Fortbildung der Pläneim Sinne einer edlen uud würdigen Einfachheit, einzelne SchillerSchinkels, an der Spitze der auch als Kunstgelehrter verdienteAdler, fügten in einem Sondergutachten den dringenden Wunschhiuzu, dem Künstler ein größeres Maßhalten und Vermeiden allerwillkürlichen und übertriebenen Anordnungen zu empfehlen. Dennnicht in der ungemessenen Häufung architektonischen und plastischenSchmuckes, heißt es dort, sondern in sparsamer und dadurch um sowirkungsvollerer Anwendung sinnvoller Kunstgestaltnngen bestehedas Wesen wahrer Monumentalität.
Die Sache lag nun für Wallot schlimm. Er sollte sparsam