Volkskunst. — Sachlicher Stil im Gewerbe.
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werden kamt? Die Nachbildung des Alten in der Absicht, über dieEntstehtlngszeit zn täuschen, mnß stets zu Verkehrtheiten führen.Wer daS Alte besitzt, wem es in irgeud welcher Form überkommenist, der mag sich seines inneren Reichtums in Ehren freuen; weres aber schaffen will, der ist wie einer, der sich nachträglich Ahneit-bilder malen läßt. Nicht geschichtlich, sondern sachlich stilvoll sollman schaffen. Das Werk, das unter den gegebeueu Umständenam treffendsten, entschiedensten den Zweck erreicht, ist das best-gelnngene. Stil ist gleichbedeutend mit innerer Zweckmäßigkeit; stil-voll ist, was dem Wesen des Werkes in seiner ganzen Anlage,Ausbildung, Inhalt künstlerisch entspricht; erste Forderung des Stilsist innere Wahrheit. Der echte Künstler hat dabei den Blick nachvorwärts, nicht auf alte Formen zu richten. Alles Alte ist ihmmir Unterlage, Vorarbeit. Er schreitet über dies fort, trunkenenAuges nur das leuchtende Bild der Natur vor sich; ihm ist esgleich, über welche einstigen Größen sein Fuß wandelt. Er ist er-füllt vom Geiste seiner Zeit und will diesen durch sein Werk zumAusdruck bringen. Immer wieder wandelt sich die Zeit und mitihr ihr Ausdruck, die Kunst. Nur stillstehende Zeiten haben einestillstehende Kunst. So lange die Herzen der Völker noch schlagen,geht der Weg vorwärts. Es giebt kein Ausruhen, kein Verweilenauf sonnenglünzender, mühsam erreichter Höhe. Der Künstler mußweiter, sein Werk muß aus dem Rahmen des Alten heraus, esmuß moderu werden, muß die alteil Gesetze der Ästhetik durch-brechen!
Das waren zu jener Zeit noch sehr revolutionäre Ansichten. Das,was sie erstrebten, ist sreilich noch heute ein unerfüllter Wunsch!Die Bekämpfung der Stilformen hat wohl zu eiuem selbständigeremKunstgcwerbc geführt, aber zu einem solchen der Künstler, nicht zu eiuemsachlichen Stil. Im Gegenteil, ich sehe eine Neue Kuitst im Gewerbeheraufkommen, die noch weit entschiedener als die alte, die Absicht hat,den Besteller in die Tasche zu stecken und ihn erst dann in seineZimmer hineinzusetzen, wenn das, was sie für gut hält, dort ver-wirklicht ist; die für Ausstellungen ideale Wohnräume schafft unddabei vergißt, daß die Wohnräume für Hinz und Kunz zn schaffensind uud daß ein idealer Wohnraum nur für den idealen Menschen