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VIll. Die Kunst aus Eigenem.
Vorschläge treten hervor, das Beste, was zu allen Zeiten geschaffenwurde in die Massen zu tragen, immer finden sie willige Ausnahme.Das Streben, das Volk zur Kunst zu erziehen, ist zweifellos ernstund fruchtbar. Aber von der Demokratisierung für die Kunst neueKräfte zu erwarten, haben wohl alle verlernt, die mit arbeitetenam Werke. Ihr Zug ist unbedingt aristokratisch, ihre Kräfte liegenin den Wenigen, den Starken, den Einzelnen. Ein Volk vonMeistern ist nicht zu erhoffen, wohl aber ein Volk, das seine Meisterversteht, das sie bewundert, ihnen geistig gehorcht, sich an ihnenerhebt; das sich ihnen nähert, mit ihnen aus dem Born der Fülletrinkt. Die Kunst kann allen einen heilsamen Trnnk geben. DerGedanke, daß ein künstlerisches Zeitalter das wissenschaftliche zuersetzen beginne, und daß darin ein geistiger Fortschritt, ein Schrittzum Frieden, zur Einheit zu begrüßen sei, bricht sich mehr undmehr Bahn.
Schwerlich aber wird die Kunst das Volk zu erziehen ver-mögen. Sie ist die Frucht des Volksgeistes, nicht sein Nährboden.Wie das Volk ist, wird die Kunst sein. Das Verständnis zwischenunten und oben ist in unserem Jahrhundert inniger geworden; trotzsocialer Kämpfe haben wir uns geistig genähert; die Stände rücktenzusammen, die Schulung durch ein reicheres Volksleben hat dieschwere Scheidung in der Zeit unserer staatlichen Schwäche zn über-winden begonnen, jene Zeit gelehrtester Philosophie hi?r uud dertiefsten Unwissenheit dort.
Große Aufgaben hinterlassen wir dem kommenden Jahrhundert.Es soll uns wieder die geistige Einheit, das Volk in der Gemein-samkeit der Ziele schaffen, dessen wir verlustig gingen. Nicht durchAnhäufen von Wissen, nicht durch starres Festhalten am Alten,nicht dnrch Hasten nach Neuem wird das möglich sein, sondern durchstarke Arbeit an uns selbst. Dadurch, daß wir, die Unterrichteten,suchen, allen verständlich zu werden; uud dadurch, daß wir alleuermöglichen, sich zum Verständnis dessen zn erheben, was wahr,groß, hoffnungsreich ist; was geistig erhebt, sittlich stärkt, unsereBeziehungen zum Ewigen klärt, uns in einem Glauben an dasHöchste vereint.
Das Höchste ist einfach, die Wahrheit ist immer schlicht. Wenn