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VI. Hygieine.
Punkte des Hausbesitzers begreiflich, vom Staudpunkte des Hygieinikersdagegen eine Sünde gegen den heiligen Geist war. Anfänglich befür-wortete Pettenkofer noch die undurchlässigen, mit Zement ausge-mauerten Graben, die dann je nach Bedürfnis mehr oder weniger oftgeleert wurden, er war also ein Anhänger des Abfuhrsystems. Nach-dem er aber namentlich ans seinen Reisen in England gesehen hatte,daß der Boden unter gut angelegten, richtig gespülten Kanälen wenigoder gar keine Verunreinigung zeigte, ging er zum Schwemmsystemüber und hielt 1875 seinen berühmten Vortrag: Kanalisation undAbfuhr. Er hatte gegeu eine Hydra von Gegnern zu kämpfen, undbesonders zwei Einwände wurden ihm immer gemacht, daß die Jsarvergiftet würde, wodurch den flußabwärts gelegenen Städten Krank-heiten gebracht würden und daß die Landwirtschaft durch die Ver-nichtung des wertvollen Düngers Schaden litte. Pettenkofer konnte nachweisen, daß die rasch sließeude Jsar die Abfälle derganzeu Stadt durch die Selbstreinigung des Wassers verarbeiten kann,ohne daß den Anwohnern irgend welche Gesahr droht, und imJahre 1892 kam die bekannte Ministerialentschließung, daß ganzMünchen sein Abwasser sowohl, wie seine Fäkalien in die Jsarleiten dürfe. Daß Pettenkofer in dem lange dauernden underbittert geführten Kampfe Sieger geblieben war, dankte er außerseiner Konsequenz und überzeugenden Polemik auch der Mitarbeitdes genialen ersten Bürgermeisters Erhard und seines BanratesZenetti, die beide sich auf dem Gebiete der Hygieine einen Namengemacht haben.
Bayern ging auf Anregung Pettenkofers iu der Errichtungvon Lehrstühlen für die Gesundheitslehre allen übrigen StaatenDeutschlands voraus. Schon im Jahre 1865 wurden in München ,Würzburg und Erlangen Professliren für Hygieine errichtet unddie Hygieine als Prüfungsgegenstand aufgestellt. PettenkofersRuhm verbreitete sich rasch, so daß er schon 1872 einen Rns nachWien erhielt, den er aber ablehnte, weil man ihm in München den Bau eines hygieinischen Institutes nach seineu Pläuen in Aus-sicht gestellt hatte. Uud als 1876 der Ruf au Pettenkofer er-ging, die Leitung des ueu errichteten Neichsgesundheitsamtes zuübernehmen, da lehnte er abermals ab, aus Dankbarkeit dafür, daß