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Geschichte der organischen Naturwissenschaften im neunzehnten Jahrhundert : Medizin und deren Hilfswissenschaften, Zoologie und Botanik / von Franz Carl Müller
Entstehung
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siebentes Kapitel.

Chirurgie, Augen-, Ohren-, Zahn-Heilkunde.

Es kann keine Disziplin geben, welche so wie die Chirurgieinnerhalb 100 Jahren ihre Stellung zur Gesamtmedizin verändertresp, verbessert hat. Im 18. Jahrhundert waren Medizin undChirurgie streng voneinander getrennt, die deutsche Wuudarznei-kunst lag in den Händen der Barbiere. Wenn auch wiederholtMänner, wie A. G. Richter öffentlich erklärt hatten, daß nur der-jenige ein guter Wundarzt sein könne, der auch in der übrigenArzneiwissenschaft wohl erfahren sei, obgleich ein Siebold, Mur-sinna, Loder, Mederer gezeigt hatten, daß die Chirurgie fürden akademisch gebildeten Arzt kein entwürdigendes Gewerbe sei,waren die Aussichten für die Erhöhung der Chirurgie zu eineranerkannten Wissenschaft doch geringe. Als im Jahre 1797 diekurfürstliche Akademie in Erfurt eine Preisarbeit ausschrieb, obMedizin und Chirurgie theoretisch und praktisch vereinigt werdenkönnten, sprachen sich 12 Bearbeiter der Frage (unter 14) bejahendaus, und doch gab die Fakultät den Preis dem einzigen,der sich direkt verneinend geäußert hatte dem LandphysikusI. H. Hugler. Erst zu Ansang des 19. Säkulums verlangte man,daß der Wundarzt auch Arzt sein müsse. 1804 wurden die Kor-porationen der Bader nnd Wundärzte in Bayern aufgehoben, 1808verlangte man daselbst von den Chirurgen das medizinische Staats-examen, 1811 wurde in Preußen verordnet, daß der Besitz einerBarbiergerechtigkeit keine Bedingung mehr sei für die Ausübung