Zehntes Kapitel.

Geistes- und Nervenkrankheiten undgerichtliche Medizin.

Die Geistes- und Nervenkrankheiten.

Wenn wir die heutigen Irrenanstalten besuchen, machen wiruns keineu Begriff davon, wie noch vor kaum hundert Jahren dieGeisteskranken behandelt wurden. Zusammen mit Vagabnnden undVerbrechern, in engen, schlecht gelüsteten Räumen, in den Tvb-suchtsanfüllen angekettet wie wilde Tiere, so saßen die armenSeelengestörten herum; selten, daß einer wieder gesund wurde undseiner Familie zurückgegeben werden konnte. Mit großer Erfindungs-gabe konstruierten die Wärter Zwaugsstühle, Zwangsschuhe, Zwaugs-sacken, dazu kam die Douche, von der man allen Ernstes glanbte,daß sie eine heilkräftige Wirkung habe; die Ärzte waren in demWahn befangen, daß es sich nicht um materielle Veränderungendes Gehirnes, sondern um immaterielle Zustände transcendentalerNatur handle, kurznm, es waren alle Vorbedingungen für einefalsche Beurteilung der Geistesgestörten gegeben, von denen nichtwenige als Hexeu verbraunt wurden, wie es andere durch eineglückliche Fügung zu dem Rufe von wunderthätigen Männern oderzum Amte eines Hofnarren brachten. — Nur an einzelnen Ortenläßt sich die ärztliche Behandlung der Geisteskranken bis ins16. Jahrhundert zurück verfolgen, wie im Jnliusspital in Würz-bnrg, aus dessen Listen anch hervorgeht, daß viele der Insassengesund nach Hause zurückkehrten. Dies darf nicht wundernehmenbei dem Geiste, der im Juliussvitale zu allen Zeiten herrschte.

Müller, Organ. Naturw, 33