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Geschichte der organischen Naturwissenschaften im neunzehnten Jahrhundert : Medizin und deren Hilfswissenschaften, Zoologie und Botanik / von Franz Carl Müller
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VII. Chirurgie, Augen-, Lhren-, Zahnheilkunde.

So ist

zu Narkotisierungszwecken zurückgeführt werden mußtenes nicht zu Wundern, wenn Schleich die Kokainanästhesie für ge-fährlicher hält als die Chloroformnarkose.

Schleich ging von den Liebreichschen Injektionen mit destil-liertem Wasfer aus und fand, daß die nach der Einspritzung sichbildende Quaddel, deren Ausdehnung man dnrch neue Injektionenerweitern kaun, völlige Auästhesie des infiltrierten Gewebes zeigte,wenn man viel dünnere Lösungen von Kokain anwendete, als manbisher gewohnt war. Eine Lösung von 0,02 °/g genügte noch, nmden gewünschten Effekt hervorzubringen. Löste man das Kokain ineiner 0,2 "/gigen Kochsalzlösung auf, so wurde die Wirksamkeit desKokains noch nm die Hälfte vermehrt, d. h. man brauchte nnr dieHälfte der Dosis. Ebenso fand Schleich, daß 3«/g Zncker-, 3°/gBromkali-, 1 °/g Methylviolett-, 2 °/g Koffeinlösnngen reine An-ästhetika sind, ebenso Karbvllosungen von 0,20,1 wogegeneine Überschreitung der angegebenen Grenzen unmittelbar nach derInjektion Schmerzen verursacht. Durch eine Reihe von In-jektionen mit seiner Flüssigkeit (0,1 Kokain, 0,02 Morphium, 0,2Kochsalz auf 100 Wafser) erzielt Schleich an beliebigen Stellen einkünstliches Odem, in dessen Gebiet völlige Schmerznnempfindlichkeitbesteht. Da 100 und mehr Spritzen dieser Lösnng noch keinegefahrbringende Menge der beiden gewählten Alkaloide dem Körperzuführen, so hat die Methode auch keine Gefahren. Schleich istder wohl zu optimistischen Ansicht, daß 90°/ der früher mitChlorophorm behandelten Fälle nunmehr mit seiner Methode nar-kotisiert werden können, womit freilich eine nicht unbeträchtlicheAuzahl von Chlorophorm- und Äthertodesfällen vermieden würde.

Als Vorzüge seiner Methode nennt er noch, daß die Gefühl-losigkeit sofort eintritt, daß die Wuudheiluug in keiner Weise gestörtwird und bei der Sterilisation der Spritzen wie der Jnjektions-flüssigkeit auch keine Infektionsgefahr besteht. Es sind nach demneuen Verfahreu schon große Operationen gemacht worden; ob essich dauernd bewähren wird, mag die Znkuuft lehren, als Lokal-anästhetiknm aber ist die Schleichsche Methode von allseitig an-erkanntem Werte.---

Wir kommen nun zu der zweiten epochalen Entdeckung, die