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Geschichte der organischen Naturwissenschaften im neunzehnten Jahrhundert : Medizin und deren Hilfswissenschaften, Zoologie und Botanik / von Franz Carl Müller
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Ausländische Internisten.

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schreitende Muskelatrophie, welche schon 1754 Swieten bei Gelegen-heit der Schilderung der Bleilähmung anführt. Später folgteJohn A. Abercrombie (17811844), ein Feind der Systeme inder Medizin, der nur die Beobachtung der Symptome am Kranken-bett und die Würdigung der pathologischen Veräuderungen alsAufgabe des tüchtigen Arztes ansah. Sein Hauptwerk betrifft dieRückenmarkskrankheiten. Er citierte in demselben zwar die Bell-schen Lehrsätze, erkannte aber deren Wichtigkeit nicht, wie diesRomberg that, welcher die progressive Muskelatrophie für dieFolge eiuer Rückeumarksdegeueratiou ansah. Zwei Autoren Aronund Cruveilhier stauden sich in der Beurteilung der Affektionfeindlich gegenüber, denn ersterer spricht von einer reinen fettigenEntartung des Muskels, während letzterer dieselbe zwar auch zu-giebt, aber von einer Atrophie der vorderen Spinalnervenwurzelnabhängig macht. Die Veröffentlichungen von Friedreich, dersich gegen den centralen Ursprung des Leidens aussprach (myopa-thische Theorie), konnten die neuropathische Theorie, die namentlichvon Charcot vertreten wird, nicht umstoßen.

Auch über die Gesichtsatrophie sind die Meinungen nochgeteilt; diese von Parry (1825) zuerst klassifizierte Krankheit hältRomberg für eine primäre Trophonenrose, Lande dachte an einegenuine Atrophie des Fettzellgewebes. Im allgemeinen ist mandahin übereingekommen, den neurotischen Ursprung als bewiesenanzunehmen und Störungen am Halssympathikus oder am GanglionGasseri zur Erklärung der Symptome herbeizuziehen. DieHemicranie oder Migräne halten Romberg nnd Leubusch er füreine Gehirnneuralgie, dereu Ursache von du Bois-Reymond ineinem Tetanus der Kopfgefäße, von Mollendorf dagegen ineiner Erschlaffung der Gefäße gesucht wird. Spätere Forschungenhaben ergeben, daß verschiedene Formen vorkommen, die sich durchGefäßkrämpfe und durch Gefäßlähmungen erklären lassen. Wasendlich die ^.o^ina xeetori8 betrifft, so gehen die Hypothesen weitzurück. Der Name stammt von William Heberden (17101801)und kommt zum ersten Male in dessen Arbeit:lütter von-esrniiiA anZina xsotoris" (1785) vor. Den nicht minderbekannten Namen Stenocardie erfcmd Brera (1810). Man

Müller, Organ. Nalurw, 29