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Geschichte der organischen Naturwissenschaften im neunzehnten Jahrhundert : Medizin und deren Hilfswissenschaften, Zoologie und Botanik / von Franz Carl Müller
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Sennnelweis,

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sagt,einer von jenen nicht immer glücklichen, aber vom Schicksalebegünstigten Sterblichen, denen es gegeben war, die Wissenschaftmit einer neuen Anschauung zn bereichern und damit der Menschheiteinen großeu Dienst zu erweisen; nnd was sein Verdienst in dieserRichtung noch erhöht, ist der Umstand, daß seine Entdeckung keinSpiel des Zufalles, sondern das Resultat einer auS der Wissen-schaft geschöpften lebendigen Überzeugung gewesen ist. Seine großeBedeutung für die Geschichte der Medizin erhellt am besten, wennman erwägt, daß er, sofern seine Entdeckung auch für die Chirurgiewichtig war, als der Vorgänger von Lister zu betrachten ist."Jacob Brück veröffentlichte 1885 eine geschichtlich medizinischeStudie über Semmelweis, in welcher er betont, daß Semmel-weis mit seiner Lehre für die Geburtshilfe alle Umgestaltuugeuantizipiert hat, die um vieles später auf dem Gebiete der Chirurgieunter dem Einflüsse der bakteriologischen Fvrschuug vor sich gingen.Er schließt mit den begeisterten Worten:Die großen Umgestaltungender Geburtshilse, ja auch der Chirurgie, die sich vor unseren Augenabspielten, sie sind der Ausfluß eiues Gedankens, der in vollerKlarheit zuerst iu seiuem Gehirue aufleuchtete, und wenu wir mitberechtigtem Selbstgefühle uns jener Errungenschaften freuen, welchebeide Disciplinen wieder mit einem mächtigen Schritt näher zurVollkommenheit geführt, muß jedesmal auch Semmelweis' Namemit dankbarer Anerkennung genannt werden."

Übrigens verlangt die historische Gerechtigkeit, daß wir auchderer gedenken, die sich vor und nach Semmelweis mit demPuerperalfieber beschäftigt haben und sich Mühe gaben, dessenUrsache zu finden. Schon 1770 stellte Whhtt die Behauptungauf, daß die schlimme Krankheit hauptsächlich in Entbindnngs-Anstalten vorkommt und aus die Zersetzung fauliger Stoffe zurück-geführt werde» müsse, welche die Luft verpesten. Denman sah,daß sich das Puerperalfieber von kranken Wöchnerinnen auf gesuudeüberträgt, und daß Träger der Jnsektion vielfach die Ärzte undHebammen sind. Meyerhofer (1863) suchte die giftige Substanzin Vibrioneu, die sich in den von den Krankeu ausgeschiedenenFlüssigkeiten bilden, die neuesten Forschungen machen eS wahr-scheinlich, daß es sich um die Invasion von Strevtococcen handelt,