Stammesgeschichtc der Lebewesen.
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theorie den Vorwurf gemacht, daß sie nicht früher eine erklärendeBedeutung hat, bis sie auch die Ursachen des Umwandlungsprozessesaufgedeckt hat. Wir werden übrigens aus die Fleisch manu scheuAnsichten nochmals zurückkommen, wenn wir die Frennde derSelektionstheorie haben zu Worte kommen lassen. —
Es ist einleuchtend, daß die Darwinsche Lehre ebenso ansdie Botanik wirken mußte, wie auf die Zoologie, aber während siebei dieser schon eine ausgebildete Physiologie vorfand, hatten ihrdie Zoologen nur eiue vollendete Systematik, die Linus begründethatte, und die von Cuvier inaugurierte Morphologie zu bieten;so erklärte es sich, daß die Zoologen, besonders da auch Darwiuseiue meisten Beispiele der Zoologie entlehnte, mit größerem Eifersich Darwin zuwandten, als die Botaniker. Auch die MorphologieCuviers lief schließlich auf systematische Schlußfolgerungen hinaus,es kann daher nicht wundernehmen, wenn unter den AnhängernDarwins sich einige finden, die aus der neueu Lehre mehr zuziehen vermochten, als alte Lehrsätze, und unter den „Darwinianern"dieser Richtung steht E. Haeckel obenan. In seiner „GenerellenMorphologie der Organismen" (1866) verließ er die aus-getreteueu Bahnen nnd schuf eine „Stammesgeschichte derLebewesen"; er konnte mit Gegenbaur der Vater der modernenvergleichenden Morphologie werden. —
Bis zu Darwin galt das Gesetz von der Konstanz derArten. Durch die Beobachtung aber haben wir, um in Darwin-schem Sinne zu sprechen, erfahren, daß die Arten einer Umbildungfähig siud uud dadurch neue Arten entstehen können. Wir dürfenalso, wenn wir die Verwandtschastsverhältnisse einer Gattnng nach-weisen wollen, kein System wählen, in welchem die Subordinationoder Koordination eine Rolle spielt, sondern wir müssen deuStammbaum zu Hilse nehmen. Dabei sehen wir, wie von einemgemeinsamen Stamme sich die verschiedenartigsten Zweige abteilenoder wie die feinsten Verästelungen in dem Grnndstamm zusammen-fließen. Auch die Paläontologie kann die Descendenztheorie unter-stützen, indem sie zeigt, daß die niederen Formen aus einer früherenZeit stammen als die höher organisierten; sie bietet uns auch dieÜbergangsformen dar, wie z. B. den Archäopterix, den Vogel
Müller, Organ. Nalurw. 40