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Die geistigen und socialen Strömungen des neunzehnten Jahrhunderts / von Theobald Ziegler
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1830 bis 1848: Das junge Deutschland.

Und so war die deutsche Welt nach den Befreiungskriegenüberhaupt, so voll innerer Tüchtigkeit und Kraft, so voll Freudeam Schönste» und Besten, was der deutsche Geist bereits geschaffenhatte und was er weiterhin erhoffte und erstrebte. Aber mit diesemVolk haben die deutschen Regierungen nichts anzufangen gewußt,sie haben es hineingetrieben in Opposition und schließlich inRevolution, es ist ein Jammer. Dieser Umschwung kommt jetzt.Lange vorbereitet uud doch wie mit einem Schlag wird die Welt eineandere: Hast und Unruhe, Gäruug und Kritik, kecker Witz undbitterböse Satire tritt uns von nun an überall und in allerleiFormen entgegen.

Den Einschnitt dafür bildet die Julirevolution in Frankreich ,deren Flammen schon jetzt auch nach Deutschland herüber zu schlagendrohen, wie achtzehn Jahre später die der Februarrevolution eswirklich gethan haben. Noch war es zu diesem Äußersten zu srüh.Mau weiß, wie gleichgültig die Sache den sreilich immer unpolitischenund nun auch schon eiuuildnchtzigjährigeu Goethe ließ. Als Ecker-Mann am 2. August zu ihm kam, rief er ihm entgegen:Nun,was denken Sie von dieser großen Begebenheit? Der Vulkan istzum Ausbruch gekommen; alles steht in Flammen;" aber er meintedamit nicht die Revolution und den Sturz der Bourbonen , sondernganz andere Dinge. Ich rede vvn dem in der Akademie zumöffentlichen Ausbruch gekvmmeneu, sür die Wissenschaft sv höchstbedeutimgsvolleu Streit zwischen Cuvier und Geosfroy de Saint-Hilaire". In ihm sah er den Sieg der synthetischen über dieanalytische BeHandlungsweise der Natur, den Sieg des Geistes überdie Materie auch in der Naturforschung, uud das erschien ihmwichtiger als alle Politik. Bei anderen politischeren Naturen wieHegel oder Niebuhr war dagegen der Eindruck ein großer, aberentschieden schreckhast. Der erstere schreibt uoch im Dezember 1830:Gegenwärtig hat daS ungeheuere politische Interesse alle anderenverschlungen eine Krise, in der alles, was sonst gegolten, proble-matisch gemacht zu werden scheint"; und noch düsterer sieht Niebnhrdie Sache an:daß wir namentlich in Deutschland im Fluge derBarbarei zueilen, ist meine seste Überzeugung, und sehr viel bessersteht es iu Frankreich nicht. Daß uns auch Verheerung droht, wie