Erstes Kapitel.
Die drei Weltanschauungen.
Die Aufklärung.
Ein reiches Erbe hat das achtzehnte Jahrhundert seinem Nach-folger hinterlassen, und es wäre eine reizvolle uud interessante Auf-gabe, zu untersuchen, wie das neunzehnte mit dieser Erbschaft ab-wirtschaftet und gewuchert hat. Wenn jenes mit einem Wort alsdas Zeitalter der Aufklärung zn bezeichnen ist, fo wäre die Frage näherdahin zu präcisieren, ob die Aufklärung nun auch wirklich siegreichdurchgeführt worden sei und ob sie mit ihrer Fackel alle Schlupf-winkel des Aberglaubens durchleuchtet und den Segen der Bildungnach oben uud nach unten gleichmäßig verbreitet habe. Ich fürchte,in einer solchen Prüsung würde unser Jahrhundert schlecht bestehenund müßte schamrot bekennen, daß es diese Arbeit nicht nnr nichtüberall zu Ende geführt, fondern nicht einmal energisch genugweitergeführt, daß es sogar schon Gethanes wieder zerstört, sogarschon Erleuchtetes wieder dunkel gemacht habe; ans den Ehrennameneines Jahrhunderts der Aufklärung wird das uusrige, wie schongesagt, in der Geschichte jedenfalls keinen Anspruch machen können.Aber schuld daran sind doch nicht allein wir Kinder und Enkeljener Zeit, sondern die Aufklärung selber und der ganze Ent-wickelungsgang, den sie genommen hat und der mit Notwendigkeitüber sie hinausführte: sie starb sozusagen an sich selber.
Was ist Aufklärung? diese Frage hat schon Kant aufgeworfenund sie dahiu beantwortet: Aufklärung sei „der Ansgang desMenschen aus seiuer selbstverschuldeten Unmündigkeit", ihr Wahl-spruch also: „saxers ancks! habe Mut, dich deines eigenen Ver-