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Die geistigen und socialen Strömungen des neunzehnten Jahrhunderts / von Theobald Ziegler
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Einleitung.

Das geistige Facit des zur Neige gehenden Jahrhunderts zu ziehen, ist eine schwierige, aber so reizvolle und lockende Aufgabe, daß sie den, der den Gedanken einmal gefaßt hat, nicht mehr los­läßt und freigiebt, bis er sie zur Ausführung gebracht hat. Und daher wage ich es auf alle Gefahr hin und allen Bedenken zum Trotz, von denen aber doch einige zuerst beiseite geschoben werden müssen. Wir stehen ja noch gar nicht am Ende des Jahrhunderts, so lautet ein erster Einwand, noch sind es zwei Jahre bis dahin, die Abrechnung kommt also noch zn srüh. Allein was für eine Geschichte der Thatsacheu allcnsalls richtig wäre, gilt nicht ebenso von einer Überschau über die geistigen und socialen Strömungen eines längeren Zeitabschuitts. Dort kann noch Neues, Wichtiges geschehen, so un­wahrscheinlich es in diesen? Augenblick auch ist; diese dagegen wechseln nicht so plötzlich und rasch; was hier etwa an Neuem kommt, selbst wenn große Ereignisse des änßeren Geschehens in diesen zwei Jahren die Welt in andere Bahnen reißen sollten, die geistige Strömung, die davon ausginge, gehört fraglos schon dein zwanzigsten Jahr­hundert an; an dessen Ende hätte dann ein Historiker nachzuweisen, daß gewisse Richtungen und Tendenzen, die dasselbe erfüllt haben, mit ihren Wurzeln in die letzten Jahre des neunzehnten zurück­reichen. Dagegeu siud die geistigen und socialen Strömungen des neunzehnten Jahrhunderts jetzt am Ende des Jahres 1898 alle schon da; weiter sich ausleben, schärfer sich accentuieren, rascher oder kläglicher vollends dahinsterben das können sie in den nächsten zwei Jahren noch, aber ganz anders werden kann es auf geistigem Gebiet bis dahin nicht mehr.

Ziegler, die geistigen u, socialen Strömungen des 19. Jahrh. 1