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Die geistigen und socialen Strömungen des neunzehnten Jahrhunderts / von Theobald Ziegler
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Sechstes Kapitel.

Das junge Deutschland.

Die Julircvolntion.

Vor mir liegt die Photographie eines Bildes von Karl Begas aus der Zeit kurz nach den Befreiungskriegen, die ich der Güte des Direktors des Wallraf-Museums in Köln verdanke. Es ist ein Familienbild. Vater und Mntter stammen noch ans dem achtzehnten Jahrhundert, es siud geisteshelle, praktisch tüchtige Menschen; ob mehr aufgeklärter Familiendespotismus oder etwas vom kategorischen Impe­rativ Kauts in der energischen, straffen Männergestalt steckt, wage ich nicht zn entscheiden. Die zwei älteren Töchter haben Schiller und Goethe gelesen, ich möchte annehmen mehr Schiller , die eine jedenfalls schwärmt sür Thekla nnd singtDes Mädchens Klage" znr Laute, ohue sich jedoch mit dem allzu sentimentalen Schmerz dieses Mägdleins zu identifizieren. Moderner ist die dritte Tochter, d. h. sie ist sromm und ernst, wie es die Jahre waren, in denen sie die Augeu des Bewußtseins erstmals aufschlug. Die beiden Jungen aber mit den offenen Hemd­kragen und den frischen Gesichtern, die wachsen vollends hinein in diese neue Zeit derteutschen" Jugend mit ihrer Begeisterung sür Vaterland uud Freiheit und versprechen einmal wackere Glieder der Burscheuschast zu werden, wenn diese bis dahin nicht aufgehoben ist. Über dem Gauzeu aber schwebt der Geist ruhigen Behagens, tüchtigen Arbeitens, ehrenfesten Lebens, so einfach und schlicht wie ihre Kleidung sind auch diese Menschen, so anspruchslos wie die Einrichtung des Zimmers und so harmonisch wie sie ist auch der Geist dieser Familie.