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Die geistigen und socialen Strömungen des neunzehnten Jahrhunderts / von Theobald Ziegler
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1830 bis 1848: Die religiöse Bewegung,

lag auf der Hand. Und so schrieb Strauß, der eben noch in seinenzwei friedlichen Blättern" neben dem Vergänglichen auch dasBleibende im Christentum anerkannt, neben seinem Nein auch seinJa hatte laut werden lassen, jetzt unter dem Eindruck dieser ueueuschwereren Unbill seinechristliche Glaubenslehre" (1840), in der erder dogmatischen Wissenschaft die Bilanz zog und ihr auf allenPunkten den Baukbruch auküudigte: im Feuer der Hegelschen Dialektikverdampfte die ganze christliche Dogmatik. So war das durchHegel neu geschlungene Band zwischen Glauben und Wissen wiedereinmal gründlich uud mit vollem Bewußtsein zerschnitten:alsolasse der Glaubende den Wissenden, wie dieser jenen, ruhig seineStraße ziehen; wir lassen ihneu ihren Glaubeu, so lassen sie unsunsere Philosophie; uud wenn es den Uberfrommen geliugeu sollte,uns aus ihrer Kirche auszuschließen, so werden wir dies für Ge-winn achten. Falsche Vermittlungsversuche siud jetzt geuug gemacht;nur Scheidung der Gegensätze kann weiter führen." Mit demSchteiermachcrschen Wort:mitten in der Endlichkeit Eins znwerden mit dem Uucudlichen und ewig zu sein iu jedem Augen-blick" nnd mit dem Hinweis auf Nückertssterbende Blume" schloßdiese spekulative Kritik der christlichen Glaubenslehre. Es war eiuSeitenstück zu Abälards bitterbösem ,Lie st nou-, nur daß hieraller Nachdruck auf demNein" lag und jedes Kapitel erbarmungslosiu eiuNeiu" ausklaug.

Der Konflikt aber, der so gewaltsam in das Leben von Straußeingrisf, hat damals vielen jüngeren Geistlichen schwer die Seelebedrückt und auch von ihnen manche aus dem regelmäßigen Gangihres Daseins herausgerissen.Ich kann nicht iu dem Dienst einerKirche bleiben, schreibt seiu Freund Märkliu, gegeu welche ich michdurch meine Denkweise in einem Znstande innerer, heimlicher Em-pörung befinde; so wird mein Leben ein in sich geteiltes, nnd daskann ich unmöglich aushalten." Aber noch häufiger wollte die Kirchedie, die deu ehrlicheu Versuch der Vermittlung machten, nicht beisich ertragen und dulden und drängte sie von sich hinweg in andereBernse hinüber. Strauß selbst aber hat, obwohl er schon 1835die Schwierigkeit deutlich gesehen und offen zugestanden hat, dochnie aufgehört, au die Möglichkeit zu glaubeu, daß Leute seiner