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Die geistigen und socialen Strömungen des neunzehnten Jahrhunderts / von Theobald Ziegler
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Die schleswig-holsteinische Frage.

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November 1858 gesprochen hatte, war eS nichts geworden, geradeim Gegenteil hatte Preußen, so schien es, sür lange alles moralischePrestige eingebüßt.

Die schleswig-holsteinische Frage.

Da kam zu gnter Stunde die schlesnng-holsteiuische Frage insRollen. Die vertragswidrige Vergewaltigung der Deutscheu iuSchleswig-Holstein durch die sanatischen Eiderdünen in Kopenhagen und die Bestätigung der im Widerspruch mit allen Verträgenstehenden Verfassung durch den neuen König Christian IX. imJahre 1863 entfesselte den Sturm zuerst in den Herzogtümer«selbst, dann sofort auch im übrigen Deutschland , wo der Nationat-verein gerade nach dieser Seite hin die Stimmung energisch vor-bereitet und erhitzt hatte. Los von Dänemark ! das scholl nun alsLosungswort brausend von Ort zu Ort, Kammern, städtische Be-hörden, Vereine und Volksversammlungen faßten in diesem SinneResolutionen, und aufs neue ertönte dasSchleswig-Holstein stamm-verwandt" und dasup ewig uugedcelt" als Losung und Gelöbnisdurch die deutschen Lande. Damit war dem deutschen Volk derAlp von der Seele genommen, diebrecherische", bleierne Stimmungwar vorüber, der deutsche Michel reckte und streckte und dehnte sich,man witterte Morgen-, witterte Frühlingslust. Und fest zu stehenschien das Recht des Erbprinzen von Angustenburg aus die Herzog-tümer als auf sein väterliches Erbe, ihn anzuerkennen beeilten sichdie Kleinstaaten, und der Bundestag wurde mit Auträgeu bestürmt,die von ihm dasselbe begehrten. Fürstliche Legitimität, nationaleund liberale Wünsche liefen diesmal glücklicherweise in einer Richtung,was wollte man mehr? Jetzt zeigte sich der Vorteil, daß derdeutsche Buud als solcher 1852 von der Londoner Konferenz undihrem Protokoll ausgeschlossen geblieben war, nun war er auchnicht au die Abmachungen dieses heillosen Vertrages gebunden.Für Österreich und Preußen lag die Sache freilich anders, sie ge-hörten zn den Unterzeichnern und Garanten dieses Protokolls.

In dieser schwierigen Situation übernahm Bismnrck die Füh-ruug und begann jenen meisterhaften diplomatischen Feldzng, derso klug und richtig mit dem Eigensinn nnd dem Fanatismus des ver-