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Die geistigen und socialen Strömungen des neunzehnten Jahrhunderts / von Theobald Ziegler
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Der Krieg von 1866.

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bildeten Mittelstandes, nicht des ganzen Volkes. Eben damalssing der Liberalisinus der Bourgeoisie an, die Massen, die ihmbisher unbedingte Heeresfolge geleistet hatten, zu verlieren. Daswußte Bismarck, und darum entschloß er sich, durch das allge-meine Stünmrccht den Keil zwischen beide Teile noch tieserhineinzutreiben.

Aber auch die Klügsteu und Besonnensten sahen in dem Bruchund Krieg mit Osterreich doch etwas wie einen Frevel; und einUnglück war er gewiß; nur freilich ein notwendiges Unglück, durchden Gang der deutschen Geschichte unvermeidlich geworden. Öster-reich ging uicht freiwillig, also mußte es mit Gewalt hinausgedrängtwerden, und so war thatsächlich Preußeu der angreifende Teil, »urder unvergleichlichen Staatskuust Bismarcks ist es gelungen, auch das wenigstens zn verschleiern und es zu einem Gegenstand desStreites und Zaukes zu mncheu, wer von beiden Teilen eigentlichder Angreifer sei, oder Österreich so tief zu verletzen, daß diesesschließlich wirklich zum Angreifer wurde. Dabei wogte die öffent-liche Meinung unklar nnd zerrissen hin und her. Marks hat denKampf in der Seele Wilhelms I. als desseu Biograph geschildert.Aber der König durchlebte nur, was jeder einzelne von uns in ganzDeutschland damals auf sich nehmen und durchmachen mußte: jedermußte die deutsche Frage iu und für sich selber lösen, mußte Stellungnehmen und sich entscheiden, uns allen that damals Bismarck Zwangan. Es war uach eiuem Ausdruck Hegels die Zeit desunglücklichen,in sich entzweiten Bewußtseins": in jeder Stadt, in jeder Familiefast standen sich die verschiedenen Parteien und Staudpuukte schroffund voll Haß gegenüber, niemand wußte so recht, was er wünschenund hoffen sollte, außer dem Einen, außer Bismarck. Wir alle,die wir diese Zeit mit Bewußtsein durchlebt haben, haben damalseine Krisis durchgemacht, aus der nur wir Jüugereu sofort ohueLetze uud Bruch hervorgegangen sind. Das Verhältnis von Straußund Bischer ist hierfür gewissermaßen typisch. Die Freundschaft derbeiden, vvu denen 1848 der eine wegen seiner Stellungnahmegegen Robert Blum sein württembergisches Abgeordnetenmandatniedergelegt hatte, der andere im Franksurter Parlament der

FraktionSgenosse Blums auf der Linken gewesen war, geriet für

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