54
1810—1820.
Systems zu der runden klaren Vollkommenheit eines übersichtlichenMikrokosmus selbstverständlich gewesen. Aber bei uns hatte dafürhöchstens noch Leibniz eine Empfindung. Schelling behandelte dieSprache, nach Scherers Ausdruck, „mit einer dunklen Anmut",Hegel „mit vollendeter Barbarei". Schopeuhauer gab der Kunstder Darstellung endlich wieder ihr Recht, und er färbte ihre Klar-heit zugleich mit einer lebhaften Subjektivität, die bei Dühriug undNietzsche fruchtbar weiter wirkte.
Keine bedeutende Persönlichkeit, aber als Typus kaum mindercharakteristisch als Schopenhauer, tritt neben den harten Pessimistenein süßlich-weicher Optimist.
Ernst Schulze , der Dichter der „Bezauberten Rose", ist inseiner Dichtung dem Abgott seiner Jugend, Wieland, immer treugeblieben. Und dennoch banden ihn unentrinnbare Fesseln an dieRomantik. In dem Vorwort zu der ersten Sammlung seiuerGedichte (1813) sieht er das „Blütenalter" von dem Mysticismusund der „Deutschhcit" bedroht. In seiner Lebenshaltung hat dasromantische Ideal, das er hier ablehnt, seine ganze Macht auf ihnbewiesen.
Ernst Schulze (1789—1817, aus Celle) saud in Göttingen , woer studierte, seine Bestimmung. Zweiundzwanzig Jahre alt lernte erCäcilie Tychsen kennen, die Tochter eines namhaften Orientalisten, einegefeierte Schönheit, hochbegabt, die sich als Malerin und im Spielauf Klavier und Harfe, wie es scheint, über den Durchschnitt desDilettantismus erhob. Der junge Student war damals laugstangefressen von jenem Laster, das ihn verderben sollte: von derinneren Unwahrhastigkeit. „Da jeder, um nicht als Null betrachtetzu werden, einen bestimmten Charakter nach dem Zuschnitt dereleganten Welt haben muß, habe ich den eines höchst maliziösenMenschen angenommen" — so schreibt er 1808. Er posiert; erspielt den blasierten Roue, wie Pückler; er macht sich Liebesabenteuerzurecht: „Es ist ein hübsches Gefühl, verliebt zu sein und sich einwenig, wenn auch nicht feurig wiederlieben zu lassen . . . DieSchwärmerei muß nicht hindern, psychologische Bemerkungen zumachen." Da haben wir die allermodernste Manier, in sich selbstJagd auf psychologisch merkwürdige Momente anzustellen; dahaben wir Lenzens und Brentanos Art zugleich, das Leben alsSchauspiel und die Empfindungen als Material für Improvisationenzu behandeln. Er hatte mit dieser Methode Erfolg gehabt, hatte