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Die deutsche Litteratur neunzehnten Jahrhunderts / Richard Moritz Meyer
Entstehung
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608
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608 18501360.

Schmerz und Leid hat es auch diesem Liebling eines Königs und allergeistigen Aristokraten, diesem Günstling der Frauen und der Götternicht gefehlt. Der Tod der geliebten Gattin ward an der Seiteeiner ihm gleich seelenverwandten zweiten Gemahlin überwunden;tiefer traf ihn, unheilbar, das Dahinscheiden blühender Kinder, denener ganze Reihen fast zu schöner poetischer Nachrufe widmete. Aberauch die Abkehr weiter Kreise des Publikums verwundete den Ver-wöhnten schwer, ob sie gleich nicht so radikal war wie bei Spicl-hageu; und der beständige Mißerfolg seiner Dramen blieb demunerschöpflichen Erzähler ein Dorn im Fleisch. Dennoch darf manihn einen der glücklichsten Menschen nennen.

Husl^us etioss mallisur est dou!" sagt der Franzose;man dürfte den Satz auch umkehren:Auch das Glück hat seinebedenkliche Seite!"Der Mensch gewinnt was der Poet ver-liert". Die natürliche Scheu vor dem Häßlichen, auch wo es alsTragik erscheint, war Heyse angeboren wie vielen andern gott-begnadeten Joviskindern, wie seinem Meister Goethe; dem aber halsdas Geschick, anch die Schmerzen alle, die unendlichen, ganz durch-zuerleben. Heyse, von der Hand des Schicksals weicher berührt,ist bis zu der vollen Mitempfindnng der tiefsten Tragik niemalsvorgedrungen. Die Welt in ihrer ganzen Wahrheit zu erfassen,den Schmerz unter der Schönheitsfülle, das war in einer zntapferem Realismus herübersteuernden Zeit ihm am wenigstengegönnt. Er vermeidet zu viel. Wo er begehrt, genießt, jubelt, dagelingen ihm starke Töne; wo er klagt, wo er klagen läßt, da legtsich eine weichliche Heiserkeit um die Stimme und verdeckt den vollenErnst der Tragik.

Und doch liegt hier, wo die Grenzen seiner Kraft liegen, auchgerade seine eigenartige Bedeutung. Die seltene Formvollendungteilt er mit den Meistern des Münchener Dichterkreises, obwohldieunglaublich schönen, naturwidrig leichteu, nervös leidenschaft-lichen Terzinen" desSalamanders" (1L79), die Georg Brandes anstaunte, weder Geibel noch Leuthold gelungen wären. Die Viel-seitigkeit der Interessen, die Freude am historischen Kostüm, dieÜbersetzerthätigkeit ist ihm ebenfalls mit Zeitgenossen wie Scheffel,C. F. Meyer , Schack gemein. Die rasche, unablässige Produktivitätund ihre Förderung durch litterarische Kritik verbindet ihn mitAuerbach, Niehl, Spielhagen, die Freude am Ausprägen lehrhafterSprüche und Epigramme, die besonders dasSpruchbüchlein" (1886)