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Die deutsche Litteratur neunzehnten Jahrhunderts / Richard Moritz Meyer
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769
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Roman: Schriftstellerinnen. Emil Mnrriot. 769

in der Regel einen gewissen Dilettantismus zeigen. Ich nennefür unsern Zeitabschnitt nur die rein dilettantische Maria Janitschek :woneben es an so strengen Beherrscherinnen der Form wie IsoldeKurz nicht fehlt. Endlich führt die gesteigerte Erregung, das Be-dürfnis nach raschen Ergebnissen leicht zu einer Überschätzung desKünstlichen wie wir sie bei Baudelaire und Huysmans aufden Gipfel getrieben sehen und kommt anch damit weiblicherEigenart entgegen:

Denn das Naturell der FrauenIst so nah mit Kunst verwandt,

wie der alte Goethe sagt. So wirken mancherlei Faktoren zusammen;schließlich auch noch, daß die litterarische Arbeit überhauptMode"wird und daß der persönliche Einfluß der Autoren manche Be-wnndcrin der nenen Richtung znr thätigen Teilnahme verleitet. Bonall diesen dichtenden Frauen verlangen zu wollen, daß siebe-deutend" seien, wäre lächerlich; sind es denn etwa die Schriftstelleralle oder gar die Kritiker? Wer die großen Schwierigkeiten be-denkt, die sich auch heut noch der freien künstlerischen Ausbildungder Frau in Deutschland gegenüberstellen, Mängel der Erziehung,Vorurteile der Gesellschaft, Nachteile in der materiellen Konkurrenz,schließlich noch falsche Voraussetzungen in der Kritik der wirdim Gegenteil die große Zahl wirklicher Talente, ernst strebenderKräfte, erfolgreicher Selbsterziehungen unter den deutschen Schrift-stellerinnen der Gegenwart nur bewundern können. Das Zerrbild,das August Niemann (Lorbeer"), Karl Pröll u. a. gezeichnet, hatnatürlich auch seine lebenden Modelle; aber man darf die Schrift-stellerinnen so wenig nach Hermine von Preuschen (geb. 1857) undNataly v. Eschstruth (geb. 1860) beurteilen, wie die Antoren nachWilhelm Arent und Conrad Alberti . Warum immer auf dieuntreuen Mägde" blicken, wenn auch die vornehme Gestalt deredeln Peuelope zu sehen ist? Drei der bedeutendsten und origi-nellsten schriftstellerischen Talente unserer Zeit sind Frauen: IsoldeKurz, Helene Böhlau, Ricarda Huch . Solche Nameu können schonein paar Mitläuferinnen loskaufen.

Der Roman ist die Form, die auch die Schriftstellerinnen be-vorzugen. Daneben tritt bei den formstrengeren Talenten (IsoldeKurz, Ilse Frapan) die Lyrik; das Drama (mit Anna Croissant-Rust, Juliane Dery, Ernst Rosmer, Clara Viebig ) erst im nächsten

Meyer, Litteratur . 49