774 1880—1880.
A nach B und von B nach C marschieren — das thnt's. Werbegriffe sonst den Erfolg des krassesten Tendenzromans neuererZeit? Gabriele Reuter (geb. 1359 in Alexandrien ) beherrschtdie Psychologie landläufiger Charaktere mit einiger Sicherheit: derBeamte, die „deutsche Hausfrau", die Kokette, die Künstlerehe ver-mag sie einigermaßen nachzuzeichnen. Zwar verstimmt uns gleichdie Ängstlichkeit, mit der sie von keiner Fignr ein Eckchen sehen läßt,das nicht genau zu der allgemeinen Konzeption des Typus paßt:die Mutter ist absolut nnr kranke Hausfrau, der Offizier hataußerhalb seiner Unisormeigenschasten überhaupt keine u. s. w.Im Notfall ändert sich das zwar plötzlich: der Vater, bis dahinEhrenmann von pedantischer Reputierlichkeit, vergreift sich an derMitgift seiner Tochter, der- rauhe, wenn auch ziemlich erregbareSohn wird zum schmachtenden Seladon seiner Gattin u. s. w. Inder Mitte dieser Attrappen ist nun die Tochter der guten Familieaufgestellt, nichts weiter als Jungfrau mit höheren Bedürfnissen,ohne jede nicht theoretisch geforderte Eigenschaft, eigentlich nur einBlatt weißes Reagenzpapier. Nun setzt sich der Mechanismus iuBewegung, und jede Figur zwackt beim Vorbeimarschieren der Heldinjedesmal ein Stück Seele ab. Doch bleibt selbst so die Entwickelung,eine ganz äußerliche: Agathe bleibt, wie sie war. Von jener feinenKunst, die das Schicksal nnd die Umgebung auch in den innerstenRegnngen des Leidenden reflektieren läßt, keine Spur; sie gehteben hin und her zwischen all denen, die sie nicht verstehen,Eltern, Brnder, Künstler und Socialdemokrat; aus einer Hand indie andere geworfen, entwickelt sie sich in nichts weder zur An-passung, noch zur Empörung; alles bleibt bei kleinen Anlaufen.Schließlich geht der Mechanismus entzwei: Agathe wird wahnsinnig.So ist also bewiesen, was zu beweisen war. Man darf nicht „ansguter Familie" stammen, wenn man irgend etwas anderes will alsdie banalste Alltäglichkeit; sonst bringt einen der Vater um die Mit-gift, der Bräutigam springt ab, resolute Vettern schreckt man durchZimperlichkeit zurück, und „der Rest ist nicht mehr zu gebrauchen".Das ist der Romau „Aus guter Familie" (1895), der um seinerverdienstlichen Tendenz willen begeistert gepriesen wird. Warumnicht? Der Frauen Schicksal ist beklagenswert, und um die Tyranneider alltäglichen Ehrbarkeit zu schildern, darf man wohl Schreck-bilder entwerfen wie englische Traktate von der Trunksucht oderFibelbücher vom Hans Kuckindielust. Nur ästhetischen Wert soll