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Francesco Barbaro : Früh-Humanismus und Staatskunst in Venedig / Percy Gothein
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II BILDUNGSMÄCHTE

diese, wie er sagt, schon häufig und feurig ausgesprochenen Mahnungensehr willkommen. Es sind Richtlinien, die später bei dem eignen lite-rarischen Auftreten für Barbaro verbindlich blieben. Der größte Wertwird damals auf das Rednerische gelegt: Barzizza legt Francesco vor allemdie Pflege der Beredsamkeit und des Vortrags ans Herz, ferner soll,wie zu allen Zeiten an Universitäten betont wird, die Philosophie denEinzelwissenschaften vorangehen. Ich glaube jedoch richtig zu deuten,wenn ich bei propädeutischer Philosophie hier nicht an ein seit alters ge-pflegtes collegium logicum denke, sondern an den damals neuentdecktenPlutarch und dessen von den Humanisten bevorzugte Moralphilosophie;für die Beredsamkeit war ihnen Quintilian der Wegweiser.Nach der Einleitung kommt Barzizza zur eigentlichen Beantwortung vonFrancescos Brief. Dieser hatte ihm von einem schönen Abend, den er mitzwei Freunden, Pietro Donato und Niccolö Leonardi verbracht habe, er-zählt, und Barzizza, der sonst glaubte, die Keckheit der jungen Leute etwasmäßigen zu müssen, bedauert, bei ihren scherzhaften und auch ernstenGesprächen nicht dabeigewesen zu sein; doch tröstet er sich damit, daßdie jungen Freunde seiner gedacht und viel von ihm gesprochen hätten, sowäre er wenigstens im Geiste bei ihnen gewesen. Dieses Bewußtsein pflegeden abwesenden Freunden immer sehr wohlzutun; nun wage er aber,ihnen in einer höchst wichtigen Angelegenheit einen Befehl zu geben, aufdaß sie nicht am müßigen Abend matt würden, «alles andere und auch diephilosophischen Gespräche hintanzusetzen hinter diesen Schriften eures

hochberedten---». Francesco mußte erwarten, daß nun Gasparino

seinen Liebling aus dem Altertum Marcus Tullius Cicero nennen werde,aber statt Marcus steht Marceminus, eine beliebte Weinsorte aus den naheneuganeischen Bergen, wie wir noch hören werden, die die Freunde bis insinnerste Mark und von Grund aus kennenlernen sollen. «Ihr sollt darannicht oberflächlich nippen, wie viele Nichtkenner tun, sondern ihn mitall eurem inneren Sinn und mit tiefem Einschlürfen genießen.» Drei sindalso die Liebhngsdinge des trefflichen Lehrers Barzizza: Wein, Liebe zuseinen Studenten und die Weisheit eines Cicero .

Ein andermal ist Francesco in Venedig zur Erholung nach einer Krank-heit, und Barzizza schreibt ihm aus Padua 9 : «Niemals war es so schönauf dem Lande als in den Tagen, in denen du wegen deiner Unpäßlichkeit