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Francesco Barbaro : Früh-Humanismus und Staatskunst in Venedig / Percy Gothein
Entstehung
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II BILDUNGSMÄCHTE

vermuten, daß er sich dies noch dazugedacht hat. Barzizzas Briefe gebenuns ein reizvolles Bild, wie die Humanisten mit ihren Schülern um-gingen. Eine willkommene Bereicherung unserer Kenntnis von FrancescosMagisterzeit in Padua : eine öffentliche Disputation unter Anleitung seinesLehrers Barzizza, die auf die Vortragsitten in damaliger Zeit ein neuesLicht wirft 11 . Der Studiengefährte Francescos, mit dem er in den Universi-tätsakten mehrfach zusammen genannt wird, der Patrizier Nikolaus Con-tarini, hat vorher «de toto orationis officio» disputiert, darüber nämlich,was alles zu einer guten Rede gehört. Nach ihm tritt Barzizza vor dieversammelten akademischen Hörer und knüpft mit einer Äußerung derFreude über die soeben gehörten programmatischen Worte seines Vor-redners an: er sei der Meinung, daß die Fruchtbarkeit solcher Redeübun-gen mehr im guten Ausdruck (bene dicendo) als in einem genauenDisputieren bestehe. Mit diesen Worten zeigt sich uns Barzizza als derhumanistische Neuerer, der, abgeneigt der scholastischen subtilen Syste-matik, zunächst die Form der Disputation ändert und durch die freieUngebundenheit seines Plauderns belebt, während er den Inhalt unbe-rührt läßt, wie ihn die Universität, der Hort der scholastischen Über-lieferung, von alters her vorschreibt. Dieses Vorgehen ist gerade dieUmkehrung der Art, die ein jüngerer Zeitgenosse, der bekannte Kar-dinal und Philosoph Nikolaus von Kues , pflegt. Dessen Schriften haben,was die Form anlangt, vollkommen noch das scholastisch-mystischeSprachgewand des Mittelalters und es ist nicht der geringste Schimmerhumanistischer Eleganz darin, hingegen gleicht sich nach neuester For-schung der Inhalt schon ganz der Renaissancephilosophie an. Der Gegen-satz, den Barzizza zwischen «bene dicere» und «disputare » zeigt, hat seinenGrund auch im veränderten Lehrbetrieb; das erste ist Gegenstand derRhetorik, das zweite der Dialektik. Barzizza wie Guarino wichen vomGebrauch der Dialektik ab, der indessen bei Giovanni di Conversinound Vittorino da Feltre bewahrt wird; die neuen Humanisten be-schränkten das Trivium auf Grammatik und Rhetorik. Barzizza würdejedoch, wie er fortfährt, diese Neuerung in den Mauern, die sovielDisputationen alten Stils gehört hätten, nicht wagen, wenn es ihm nichtvon Plato, Demosthenes und Cicero vorgemacht würde. GasparinusPergamensis, Barzizza, war in seinem Leben ein vielgeplagter Mann,