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Francesco Barbaro : Früh-Humanismus und Staatskunst in Venedig / Percy Gothein
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58
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5 8 III HUMANISTISCHE ARBEITEN BARBAROS

Menschen zurückzuführen 20 .» Es kommt immer darauf an, zu erkennen,wo die Schwelle für die aufnehmenden Menschen liegt, jenseits dererfremdes Kulturgut für sie tot bleibt und wann es zu lebendigem Lebens-gut wird. Für Barbaro bleibt zunächst, wie er sagt, das Wissen um antikeTugenden und die treff lichsten Einrichtungen tot. Die Schwelle, überdie das Vergangene schreiten muß, um zu frischem, fortzeugendemLeben erweckt zu werden, ist die Verleiblichung dieser Tugenden, istdas Sinnfälligmachen dieser trefflichen Einrichtungen durch ragendeund leuchtende Helden, wie sie ihm Plutarch vor Augen stellt. Das wardamals etwas Neues, weil der griechische Plutarch, wie gesagt, erst ausByzanz herübergekommen war und die neuen Seelen so bereit warenfür die heroische Saat, die aus seinen Schilderungen aufgeht, daß sieschon von den ehrfürchtig gehörten Namen begeistert wurden. Frei-lich ist es das Schicksal dieses wie noch jeden neuen Fundes gewesen,daß er den Gesetzen der Zeitlichkeit unterworfen ist. Was den Erstenneue Offenbarung und tiefe seelische Erschütterung bedeutet, ist denNächsten schon fester von den Vätern erworbener und gesicherter Be-sitz, und die anfängliche Glut erkaltet. Das Wort, das einmal durch seinenKlang schon die Herzen höher schlagen ließ, wird abgenutzt und ver-fängt nicht mehr, bis ein neuer Erwecker kommt und es durch seinenZauber wieder wirksam und frisch macht. Bei den Humanisten tratgleich von Anfang an die Gefahr zu Tage, daß man sich an bloßenNamen berauschte. Zunächst zwar klangen bei diesen großen altenNamen wie in Beschwörungen reiche und geheimnisvolle Inhalte mit,die imstande waren, neues Leben zu erwecken; mehr und mehr wurdensie aber zu leerem Schall, zu Redeprunk und Floskel, nachdem dieanfängliche Frische gewichen war.

Die norma bene vivendi, die heroische Haltung im Leben, prägte Plut-arch in den Charakter Barbaros ein, die norma bene dicendi, das über-zeugende Wort, das die Tat entzündet, bot ihm der strenge Lehrer imkaiserlichen Rom , Quintilian. Wir Deutschen sind gewohnt, dem gedank-lichen und allenfalls dem sinnbildlichen Inhalt der klassischen Schrift-steller die Hauptbedeutung und die stärkste Wirkung des Altertumeszuzuschreiben. Anders der Romane. Für ihn liegt der Zugang nicht infreischwebenden Ideen, sondern in der geprägten Form des Wortes. So