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Francesco Barbaro : Früh-Humanismus und Staatskunst in Venedig / Percy Gothein
Entstehung
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IV DE RE UXORIA

in dem eleganten Latein des Italieners und dem noch etwas schwerfälligunbeholfenen Deutsch des Domherrn hegen. An den Abschweifungenvom eigentlichenThema sieht man bei den Humanisten,welche Gedanken-gänge ihnen am nächsten Hegen. Auch hier der Unterschied: dem jungenFrancesco Barbaro Hegt an der Gestaltung des Lebens des jungen Mannes,dem älteren Eyb am Memento mori . Ein Beispiel des deutschen Domherrnoffenbart kein besonders zartes Verhältnis der Ehegatten: «Do ein weyserman ein weyb nemen solt, wolt er kein heyratgut von ir haben, dann eingroßen kürbis, den selben hieng er in sein kammer, das in die fraw alle tagsehen möcht vnd wenn sie mit im zürnet vnd vngeschlacht was, so zaigter ir den kürbis und sprach: Sihe da ist dein heyratgut: das magstu mitdir nemen und gien wo du wilt.» Es bedurfte noch jahrhundertelangerSchmeidigung und Hämmerung, bis unsere Sprache zur Wucht auch dieUrbanität erreichte, die sie den andern Kultursprachen gleichstellte. EinKennzeichen, das TrauHch-Gemütvo'le, war schon immer vorhanden,und wir brauchen es auch bei Albrecht von Eyb nicht lange zu suchen.Doch auch dieses ist von ähnhcher Haltung bei Barbaro verschieden,dessen fühlsamste Regung, wie er Trost in Lebensbedrängnissen bei derGattin zu finden erhofft, noch gestählt wird durch den Ausdruck derlateinischen Sprache, der am wenigsten sentimentalen von allen Sprachen.Eyb faßt seine Stellung zur Ehe so zusammen: «In kürtze zu erzelen so istdie Ee ein erbers ding, ist ein muter und meisterin der keuschheit: wanndurch die Ee werden vermiden unlawter fremde begire vnd ander schwersünde der unkeuschheit... So ist auch die ee ein fröhchs lustpers undsüß ding: was mag fröHcher und süßer gesein dann der name des vaters,der muter und der kinder, so die hangen an den helsen der eitern undmanchen süßen kuß von in empfahen.»

Barbaros Schrift über den Ehestand fand, wie aus allem diesem ersichtlich ist, inseinem Jahrhundert das lebhafteste Interesse. Doch auch noch im nächsten muß sie,nach ihrer Verbreitung zu urteilen, viel gelesen worden sein, denn der erste Druck,der von ihr veranstaltet wurde, erschien 1513 in der berühmten Pariser Buchpresse:«in aedibus ascensianis». Dort lebte zu jener Zeit ein namhafter Rechtsgelehrtcr, derFreund Rabelais', Andre Tiraqueau , welcher im Alter von 24 Jahren ehelichte. Beidieser Gelegenheit kam er auf den Gedanken, wie er uns erzählt, alle Dokumente desAltertums zu sammeln, die sich auf die Ehe beziehen. Zu seiner großen Freude stießer auf Barbaros Werk, und damit war ihm alle weitere Mühe erspart. Er ließ es