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Francesco Barbaro : Früh-Humanismus und Staatskunst in Venedig / Percy Gothein
Entstehung
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102 V B ARB ARO ALS FREUND DER HUMANISTEN

Gefängnis, er fühle am Körper Schmerz und Lust zugleich, denn die Fuß-fesseln drückten ihn am Bein, oder hätten ihn gedrückt, aber wenn eres leise riebe, spüre er eine angenehme Erleichterung, und führte soaufs weiseste vor Augen, daß Schmerz und Lust gleichzeitig bestehenkönnen.» In diesem Brief ringt das warme Gefühl des von erster Freund-schaft ergriffenen jungen Menschen nach der ihm gemäßen Form. DerAusdruck ist zuweilen etwas jugendlich ungelenk und übertreibend; dieForm humanistischer Stilisierung ist ihm noch nicht so in Fleisch und Blutübergegangen wie später. Die unverbrüchliche Treue seinen Freundengegenüber zeichnet Francesco Barbaro besonders aus. Nachdem er einmalvon dem Werte des Lorenzo de'Medici überzeugt ist, bewahrt er ihmdiese Schätzung über den frühen Tod hinaus und läßt sich darin nichtvon der Einrede Dritter beirren. Später kam ihm einmal ein lästerlicherAngriff des Humanisten Filelfo zu Ohren, der Gift und Tinte gegendie Brüder Medici verspritzte, weil sie ihn wegen ungebührlichen Be-tragens aus Florenz hatten verbannen lassen. Danach scheint Lorenzo inseinen letzten Lebensjahren beleibt gewesen zu sein, worüber der händel-süchtige Gelehrte in seinem L1BER DE EXILIO höhnt 3 : «Des LorenzoFlanken schau an, seine Wamme, beobachte seinen Gang, brüllt ernicht, wenn er spricht? ... So kommt es mir bei Gott vor, daß ichLorenzo Medici am treffendsten als einen Ochsen bezeichne, wie denAverardo als einen Wolf und den Cosimo als einen Fuchs.» Mit beson-derer Gelehrtentücke legte er diese Worte Poggio, dem nahen FreundeLorenzos, in den Mund. Poggio hat Lorenzo in Wirklichkeit ganz andersin der Grabrede, die er ihm nach frühem Tode hielt, gezeichnet 4 . Wirsehen da den vornehmen Herrn mit der besonderen Klugheit der Medici,die in Florenz ähnlich wie im perikleischen Athen geboten war. Durchweisen und großzügigen Gebrauch seiner unermeßlichen Schätze oderdurch freigebige Spenden erwarb er bestimmenden Einfluß. Er war derstille Teilhaber an der Macht seines Bruders Cosimo, und während diesermanchmal scharf durchgreifen mußte, scheint Lorenzo ausgleichendgewirkt zu haben. Jedenfalls gab er sich nie eine Blöße, denn Poggiokann hervorheben, daß er nicht einmal neugierigen und böswilligenAugen Anlaß bot, ihn herabzusetzen. Diese Worte werden durch die An-würfe Filelfos bestätigt, der es sich bei seinen Schmähungen der Familie