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abweichendes Lebensideal verbreitete. Aber die humanistischen Freunde,die ihn bisher zu den ihrigen zählten, wollten ihn nicht verlieren, undso entspann sich ein wahrhafter Kampf um seine Seele.Während er in Venetien predigte, bildete Bernhardin ein für ihn charak-teristisches Zeichen der Frömmigkeit, das nicht unangefochten blieb.Im benachbarten päpstlichen Bologna herrschte nämlich die Spielwut,gegen die der Heilige so erfolgreich eiferte, daß die bekehrten Bürgeralle ihre Karten zum Scheiterhaufen brachten und verbrannten. Da er-schien vor dem Heiligen, während sich das Volk an dem Feuer er-götzte, der Hersteller der Spielkarten und beklagte sich, daß Bernardinoihn um seinen Verdienst bringe; doch da dieser als echter Volksmannnicht nur die seelischen, sondern auch alle wirtschaftlichen Bedürfnissekannte, riet er dem Kaufmann, auch weiterhin Karten zu drucken, je-doch nur mit dem Aufdruck IHS; für den Absatz wolle er selber sorgen.Der geschädigte Kaufmann machte denn auch mit den neuen Kartenbessere Geschäfte als zuvor; alles Volk kaufte, was der Heilige von derKanzel empfahl. Bei den Franziskanern bestand von jeher eine beson-dere Verehrung des Namens Jesus, der schon von Franciscus und Bona-ventura dem Namen Christus vorgezogen wurde, aber erst Bernhardin mit den Karten und Täfelchen gleicher Inschrift bildete durch seinePredigten namentlich in Venetien, wohin er von Bologna aus zog, einenwahren Kult ausschließlich mit dem Namen Jesus aus. Bernabaeus Senen-sis schrieb: «Den Namen unseres Herrn Jesus Christus ehrte er solcher-maßen, daß alles Volk in Venetien bald auf den Wänden der Kirchen,bald auf den Mauern der Privathäuser den Namen unseres Heilandszu seiner großen Ehre mit goldnen Buchstaben und leuchtenden Strah-len malte 5 .» Der Brauch war auch in Frankreich verbreitet. In den näm-lichen Jahren malte dort Jeanne d'Arc die Buchstaben auf ihre Standarteund schrieb sie über ihre Briefe. Solch äußere Zeichen tragen immer dieGefahr der Ausartung zum Aberglauben und Fetischismus in sich. Eswar ein religiöser Taumel des magischen Einflusses, den man den Schrift-zügen IHS zutraute, der selbst bis in die private Korrespondenz der vor-nehmen Venezianer drang. Auch Francesco Barbaro wurde davon er-griffen. Bisher hatte er die Gewohnheit gehabt, wie allgemein übüch,über seine Briefe Jesus Christus (Xps) zu schreiben. Nun entschloß er