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Francesco Barbaro : Früh-Humanismus und Staatskunst in Venedig / Percy Gothein
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Seite
156
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VI RELIGIÖSE VERTIEFUNG

sich auch zu dem alleinigen Zeichen IHS. Das erregte den UnwillenPoggios, der den Observanten nicht freundlich gesonnen war, weil eran der Kurie über jene Mönche, die Stifter der neuen Gebräuche, nichtdieselben Eindrücke gewonnen hatte wie Barbaro in Treviso . Die Ver-hältnisse lagen in Rom ganz anders, da Martin V. und Eugen IV. dieHumanisten noch nicht begünstigten wie die folgenden Renaissance-päpste. Daher fühlten sich die Humanisten im Sekretariat der Kurieimmer hinter den wie sie schalten duckmäuserischen und frömmeln-den Mönchen zurückgesetzt. Die von Bernhardin in Oberitalien ent-fachte religiöse Volksbewegung schien nun sogar dem Papst der Ketzereiverdächtig, denn die Bevorzugung des Namens Jesus konnte eine häre-tische Spaltung vorbereiten, und so wurde Bernhardin vor den Richter-Stuhl der Kurie gefordert. Selbst so streng kirchlich gesinnte Leute wieTraversari wurden an ihm vorübergehend irre, bis er sich glänzend recht-fertigte. Poggio ist deshalb besonders unwillig über die Mönche, weilsie, wie er sagt, die Frömmelei fördern und trotz päpstlichen Verbotesüberall für sich Klöster bauen. Da, wie wir schon wissen, humanistischeBriefe nie ausschließlich Privatmitteilungen waren, sondern schnell undweit verbreitete Uterarische Dokumente, so ersah sich Poggio FrancescoBarbaro als Briefempfänger, durch den er der gebildeten Welt kundtat,welche Stellung er in jener die Öffentlichkeit sehr erregenden Frageeinnahm. Aus diesem Briefe geht hervor, daß Francesco bereits auf seinehumanistischen Freunde Rücksicht genommen hatte, denn Poggio sagt:«Ich habe vernommen, daß du von der Unverschämtheit derer abgerücktbist, die den Namen Jesus allein verehren und eine neue ketzerischeSekte bilden wollen. Sie gieren bei dem gemeinen und ungebildeten Volknach Spenden und preisen jenen Namen doch nur, um sich selber zurühmen. Doch du verbindest, wie es sich nicht nur für einen Gelehrten,sondern auch für einen Weisen ziemt, Jesus und Christus und trennstnicht Worte, die nicht geschieden werden können 8 .» Gleich zu Anfangdes Briefes hatte Poggio ausgerufen: «Endlich kann ich mich freuen,daß du wieder Christ geworden bist und jenen Jesuskult (jesuitas) ver-lassen hast, den du mit der Inschrift am Anfang deiner Briefe triebst. »Der Florentiner Humanist verfährt grob mit den Observanten, nenntsie zweifüßige Esel, die nicht auf seine historischen Erörterungen hören