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Francesco Barbaro : Früh-Humanismus und Staatskunst in Venedig / Percy Gothein
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BARBAROS EINSICHT BEIM ERSTEN MAILÄNDISCHEN KRIEG 195

wollen («sub cuius umbra si novos motus exciverint, tuti sint»), dennwer unterdrückt sei, bräche wie ein wildes Tier aus seinem Kerker. Dannmüsse man verhüten, daß die Bundesgenossen des Visconti, die sichnicht der gemeinsamen Sache der Feinde Mailands anschließen wollten,ihm Hilfe brächten, sollten sie nicht den Blitzstrahl des RömischenReiches gewärtigen. So sucht er Kaiser und Reich durch den Kanzlerauf seine Seite zu bringen und gegen den Rebellen zu entflammen;doch muß ihm bei diesen Ratschlägen selber nicht ganz wohl gewesensein; er mochte empfinden, daß sie wenig zu seiner eignen Lebens-haltung und zu seinem Charakter stimmten, und daß er darin dem Zeit-geist der politischen Intrigen zu sehr nachgegeben habe, denn er fährtfort: «Ich aber, der ich über die Wunden der Christenheit häufig undnicht ohne frommen Schauder nachdenke, möchte dem erhofften Siegeinen sicheren Frieden ohne allen Hinterhalt vorziehen.» Jedochkönne der Feind nur dann in Schach gehalten werden, wenn man dieAddaübergänge in der Hand behielte. Zertrete man so der Schlange denKopf, dann möchte sie vergebens mit dem Schwänze drohen. Hierbricht unverhohlen sein Haß gegen den Herzog heraus, doch ist ergleich wieder bemüht, über den italienischen Länderzwist hinauszu-kommen und eine europäische Politik zu erstreben. Damit spricht erden Gedanken aus, der seit den Kreuzzügen unter allen Einsichtigennicht mehr verstummt: «Wenn der Herzog aber die Friedensbedingungenannimmt, so sollte Italien , das vom Mord, von Feuer und Schwert allent-halben verwüstet wird, verschont bleiben, damit es, vom innern Kriegebefreit, mit so vielen kriegsberühmten Männern, mit so vielen Legionenund Flotten gegen die treulosen Feinde der Christenheit unter den Au-spizien des allerunbezwinglichsten Kaisers kämpft und nach Sieg undZähmung von Barbaren und Ungläubigen zu Lande und zu Wasserruhmreich triumphiert 5 .» Hier wandelt Barbaro in den Spuren Dantesund Petrarcas, mit der Mahnung an den Kaiser, Italien , das sich selbstzerfleischt, zu befrieden und die gesammelten Kräfte gegen die Ungläu-bigen zu führen, eine Mahnung, welche die wachsende Türkengefahrsehr zeitgemäß machte, und die er durch sein ganzes Leben immerwieder ausgesprochen hat, doch ist sein Ruf stets vergebens verhallt.Kaiser Sigismund hatte zwar in seiner Jugend als König von Ungarn ein