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abendländisches Kreuzheer gegen die Türken geführt, war aber bei Niko-polis unterlegen. Dies Hegt damals schon über 40 Jahre zurück, und alsder neue Mahnruf des Venezianers sein Ohr traf, stand der Kaiser schonam Ende seiner Laufbahn und starb nach einem halben Jahr. Immerhinäußerte er den Wunsch, daß Barbaro zu ihm als Gesandter seiner Repu-blik über die Alpen käme, und auch die Signorie hatte ihn schon dazuausersehen, doch Barbaro warf gerade damals ein heftiges Fieber nieder,so daß er von der Gesandtschaft zurücktreten mußte; er entschuldigtsich deshalb bei Kaspar Schlick 6 . So hat jenes Fieber den Ausschlaggegeben, daß man ihn anders verwandte, als ursprünglich von seinerRegierung geplant war, und er an der gefährdetsten Stelle in diesemschicksalhaften Ringen eingesetzt wurde. Die erste Aufgabe wartet seinerimFelde. Barbaros SchwiegervaterPietro Loredano, der als venezianischerProvveditore dem Generalissimus Marchese di Gonzaga zur Seite stand,war erkrankt. An seine Stelle tritt Barbaro. Die Provveditoren wareneine Art staatlicher Aufsichtsbehörde im Kriegsheer. Barbaro mußte so-fort Streitigkeiten im Offizierskorps beilegen und Übergriffe der Solda-teska zügeln. Daß der italienische Ausdruck Soldateska europäisch ge-worden ist und sich neben vielen andern italienischen kriegstechnischenAusdrücken dauernd in den fremden Sprachen erhalten hat, zeigt nebender Überlegenheit der italienischen Kriegführung zugleich die Schwächeder Söldnerheere, die für das eigne Land zur Geißel wurden. Die kurzeZeitspanne, die Barbaro als Provveditore beim Heer zubringt, ist wieein Vorspiel zu seiner größeren Brescianer Tätigkeit: Unbotmäßigkeit inSchach zu halten, Verzagte zu ermutigen, dem Verrat entgegenzuarbei-ten. Der zweithöchste Offizier, Gattamelata , muß wegen Krankheit zur Er-holung nach Brescia . Nach seiner Abreise droht eine Panik auszubrechen,weil der feindliche Heerführer Piccinino von Süden heranrückt. Bar-baro tritt dem erfolgreich entgegen, und das venezianische Heer zieht sichgeschlossen hinter die Brenta zurück 7 . Das Schlimmste aber war, daß Bar-baro den Oberfeldherrn, den Marchese von Mantua, beargwöhnen mußte.Insgeheim setzt er die Signorie in Venedig von seinem gegründeten Ver-dacht in Kenntnis, doch will man im Dogenpalast diese Nachricht nochnicht glauben. Das Vorspiel ist beendet, das Drama beginnt: Barbarowird als militärischer Befehlshaber auf den wichtigsten Außenposten