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Francesco Barbaro : Früh-Humanismus und Staatskunst in Venedig / Percy Gothein
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VIII ALTERSWEISHEIT

glaubte Piccinino über seinen Gegner triumphieren zu können, aber inseiner altbekannten Weise ließ ihn Herzog Filippo Maria nicht zumletzten Sieg kommen, sondern schickte während der Nacht seinen Ver-trauten Guidoboni da Tortona ins Zelt des schlafenden Sforza. Dieserweckt den Grafen und stellt ihm seine verzweifelte Lage vor Augen; derHerzog habe sich aber trotzdem entschieden, ihn zum Schwiegersohn zunehmen, denn er wolle nicht, daß sein Feldherr Piccinino zu stark werde.Als dieser am andern Morgen sah, daß ihm die sichere Beute wiederentronnen war, weigerte er zuerst den Gehorsam, gab aber dann dochden ausdrücklichen Befehlen des Herzogs nach und versöhnte sich mitseinem Gegner. Eine allgemeine Verbrüderung der feindlichen Heerefand statt, und der Friede zwischen ihnen wurde geschlossen. Am 24. Ok-tober 1441 wurde endlich die Hochzeit zwischen Sforza und der erst16 Jahre alten Bianca gefeiert 8 . Als Mitgift gab der Herzog seiner Tochterdie Stadt Cremona . Ein Genueser Freund bittet damals Barbaro, sichbrieflich zu äußern, wie er die herzogliche Staatskunst beurteile, undBarbaro antwortet tags darauf in einem klug abgewogenen Brief: «Da dumich nicht nur bittest, sondern sogar zwingst, mein Urteil abzugeben,obwohl man nach zweierlei Richtung ernst und ausführlich disputierenkönnte, so ist meine Meinung: der erlauchte Herzog von Mailand wirdmit seiner Tochter dem Grafen Francesco Cremona geben, wenn er denFrieden wünscht oder den Krieg wählt, der unter dem Namen des Friedensverhüllt ist. Warum mir dies so scheint, versteht man leichter, als man esauseinandersetzen könnte; doch lasse ich mich von der Hoffnung leiten,daß mit Gottes Hilfe die Grundlagen gelegt sind, die die Freiheit Italiens erhalten können. Denn, wie Livius sagt, das stärkste Band der mensch-lichen Gesellschaft ist der gemeine Nutzen, und der Graf Francesco, derebensoviel Weises vollbringt als Tapferes, weiß, daß er gehorchen muß,wenn er herrschen will, auch wird er nicht diejenigen für seine Freundehalten, denen er es selbst nicht ist (also die Mailänder ), damit jene ihmFreund bleiben, denen er Freund war (also die Venezianer) . . . dochbin ich überzeugt, daß bei ihm nichts mehr vermögen darf als seineWürde und sein Glück 6 .» Barbaro weiß, daß das Glück des Grafen Sforzazu Lebzeiten des Herzogs nicht ohne venezianischen Rückhalt bestehenkann. Dies bestätigten die folgenden Jahre.