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Francesco Barbaro : Früh-Humanismus und Staatskunst in Venedig / Percy Gothein
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VERBINDUNG DER HÄUSER VISCONTI UND SFORZA 257

Zuerst wollte der Herzog sich die beiden ihn beunruhigenden Kondot-tieren Sforza und Piccinino vom Halse schaffen und sie von Oberitalien fernhalten. Er ließ Sforza gegen Alfonso d'Aragona ziehen, so daßdieser des Grafen neapolitanische Lehen einzog, dann gab er zu, daßPapst Eugen IV . Piccinino in seinen Sold nahm, damit er Sforza aus derMark Ancona vertriebe; zugleich schleuderte Eugen einen donnerndenKirchenfluch gegen den Räuber und Kirchenschänder Sforza und gabdamit das Zeichen zum Abfall der Mark. Diese Kräfteverschiebung impolitischen Gleichgewicht war den Venezianern und Florentinern, diemit Genua und dem Herzog von Mailand eine Liga zur Erhaltung desFriedens in Italien geschlossen hatten, nicht genehm, denn der Haupt-zweck dieses Bündnisses war, den Besitzstand ihres siegreichen Kon-dottiere Sforza zu gewährleisten. So ist die allgemeine Lage zu Beginndes Jahres 1444. Nichts Festes kennt die Politik dieser Zeit. Man trachtetauf allen Seiten nach dem gleichen Ziel, aus der dauernden Friedlosigkeitherauszukommen und in einem ruhigen Italien zu leben; aber die Sonder-interessen kreuzen sich, und so traut keiner der Staaten dem andern. Be-sonders schwierig war das Verhältnis Venedigs zu Mailand und zu seinemHerzog, dem Feind von gestern, dem Bundesgenossen von heute undwahrscheinlich wieder dem Feinde von morgen.

Um die Liga zu erhalten, gibt sich Venedig alle erdenkliche Mühe undschickt nur Männer, die in die geheimen Verhandlungen der letztenJahre eingeweiht waren, wie Ermolao Donato und Francesco Barbaro , alsGesandte nach Mailand . Die Einrichtung ständiger Gesandtschaften anfremden Höfen war im XV. Jahrhundert noch nicht üblich die erstenständigen Botschafter waren die päpstlichen Nunzien. Nur in schwie-rigen Zeitläuften sandte man sie mit festumrissenen diplomatischen Auf-trägen aus, und die großen venezianischen Familien wie die Ca Barbarosetzten ihren besondern Stolz darein, daß in jeder Generation ihren Mit-gliedern vom Großvater über den Sohn zum Enkel die wichtigenLegationen nach Mailand und Rom übertragen wurden. Barbaro saß indiesen Jahren meistens am Steuerruder des Staates als einer der fünfbis sechs sapientes consilii rogatorum. Diese sapientes consilii oder aufitalienisch savj grandi waren der geschäftsführende Teil des Senates,die Signorie. Die Senatoren trugen Purpurtoga, sie hatten die Tracht der

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