Druckschrift 
2 (1914) Im Zeitalter Kaiser Wilhelms des Siegreichen
Entstehung
Einzelbild herunterladen
verfügbare Breiten
 

V. Die preußische Armeereform von ^860

Drei Ziele, die er unbedingt erreichen wollte, schwebten dem Prinz­regenten bei Übernahme der selbständigen Leitung der Staatsgeschäfte vor: Preußen seine angesehene Stellung in der auswärtigen Politik wieder zu erobern, das Heer zu einem starken Werkzeuge dieser Politik und einer zuverlässigen Stütze des Staats zu machen und in ehrlicher, offener Weise Hand in Hand mit der Volksvertretung zu regieren.

Er hatte das Glück gehabt, noch als Stellvertreter seines königlichen Bruders dem Heere, dem seine erste Sorge galt, drei wichtige Errungen­schaften als Morgengabe darbringen zu können. Das waren die schon ein­geleitete Bewaffnung der ganzen Infanterie mit dem Zündnadelgewehr, sodann am 3. Mai 1858 die Wiedereinführung der damals noch sehr notwendigen dreijährigen Dienstzeit und am 7. Mai 1858 die Bestellung der ersten 300 gezogenen Feldgeschütze bei Krupp in Essen . Bevor er an die Ausführung der größeren Pläne ging, die er seit lange in der Seele bewegte, begann der Krieg in Italien und machte zunächst Vorbereitungen für die Abwehr der drohenden Gefahr notwendig. Am 26. April 1859 erklärte Preußen , sich auf den Schutz des deutschen Bundesgebiets be­schränken zu wollen.

Österreich war freilich lebhaft bemüht, Deutschland für die Unterstützung seiner Ansprüche in Italien zu gewinnen, und die süddeutsche Presse trat tatsächlich dafür ein, die Präsidialmacht zu unterstützen. Die ganz will­kürliche Theorie wurde aufgestellt, daß der Rhein nicht ohne Behauptung des Po zu halten sei. Die Stimmung im Volke war geteilt. In Preußen überwog die liberale Hinneigung zu Italien bei weitem, in Bayern und Württemberg riß die ultramontane Partei das ganze Volk zu schwarz­gelber Begeisterung fort. Der Prinzregent besaß keine Neigung, für die österreichische Mißregierung in Italien eine Lanze zu brechen. Dennoch dachte er vorübergehend an eine bewaffnete Vermittlung, als die Erhebung in Mittelitalien ausbrach und Napoleon III. die Erklärung abgab, Italien solle frei bis zur Adria werden; denn dies ging seinen Anschauungen nach viel zu weit. Zum Glück für Preußen hinderte Österreich durch seine Haltung selbst die Durchführung der undankbaren Aufgabe. Es verweigerte Preußen die Verfügung über die deutschen Streitkräfte, forderte aber dessen Eintreten für die österreichischen Schutzverträge mit den mittel­italienischen Kleinstaaten. So kam es zunächst nur zu der schon erwähn-