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2 (1914) Im Zeitalter Kaiser Wilhelms des Siegreichen
Entstehung
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IX. Das Deutsche Reich und seine Wehrmacht

In einem Armeebefehl vom 16. März 1871 sprach Kaiser Wilhelm I. dem Heere die höchste Anerkennung für seine Leistungen aus:Ihr kehrtmit dem stolzen Bewußtsein in die Heimat zurück, daß Ihr einen dergrößten Kriege siegreich geschlagen habt, die die Weltgeschichte je gesehen,daß das teure Vaterland vor jedem Betreten durch den Feind geschütztworden ist und daß dem Deutschen Reiche jetzt Länder wieder erobertsind, die es bisher verloren hatte." Dann aber fügte er die Mahnunghinzu:Möge die Armee des nunmehr geeinigten Deutschlands dessenstets eingedenk sein, daß sie sich nur bei stetem Streben nach Vervoll-kommnung auf ihrer Stufe erhalten kann, dann können wir der Zukunftgetrost entgegensehen." Die Armee hat diese Mahnung bisher treu imHerzen getragen und gewissenhaft befolgt. Ihre Stimmung war nachder Heimkehr wenigstens soweit es das Offizierkorps anbetrafkriegerisch. Man glaubte nicht daran, daß die eben geschaffene deutscheEinheit inmitten Europas unangefochten bleiben würde, sondern daß esnotwendig sein werde, sie auch gegen andere Mächte zu behaupten. Ob-schon sich keinerlei Anzeichen einer Trübung des Freundschaftsverhältnisfeszu Rußland bemerkbar machten, wendeten sich doch die Blicke gegen Osten.Österreichs unfreundliche Haltung zu Beginn des französischen Krieges,die Nachwirkung von 1866, war bekannt. Die allgemeine geschichtlicheErfahrung, daß eine emporkommende Macht, die anderen gefährlich werdenkönnte, ihren Platz an der Sonne meist durch eine Reihe von Kriegen haterstreiten müssen, wirkte auf die Gemüter. Moltkes am 16. Februar 1874im Reichstage ausgesprochenes Wort:Wir haben seit unseren glücklichenKriegen an Achtung überall, an Liebe nirgends gewonnen" lehrte, daßauch er ähnliche Überzeugungen im Herzen trug. In der gleichen Redestellte er es als zweifelhaft hin,ob wir nach einer oder nach zwei SeitenFront zu machen haben" würden.

Es kam anders. Der Friede blieb erhalten. Weder ein zweiter fran-zösischer Krieg noch der erwartete Behauptungskampf gegen Osten tratein. Die weise Politik Bismarcks wußte beide zu verhüten.

Dennoch blieb die Armee in der rüstigen Arbeit, die sie sofort nach demFriedensschluß aufgenommen hatte. Der Krieg ergab zahlreiche Anregungen,ebenso aber auch große Meinungsverschiedenheiten bezüglich der Richtung,die von nun ab in der Ausbildung der Truppen eingeschlagen werdensollte. Bei der Infanterie bildeten die großen Gefechtsverluste, zumal an