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Politische Geschichte Deutschlands im neunzehnten Jahrhundert / von Georg Kaufmann
Entstehung
Seite
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Einleitung.

Der Form nach wurde die Entschädigung der größeren Staaten,d. h. die Frage, welche Gebiete durch Annexion vernichtet, undwelche durch Unterwerfung der früheren Genossen vergrößert werdensollten, durch eine Reichsdeputation entschieden, thatsächlich aberdurch die französischen Gewalthaber. Der Abschluß erfolgte in derForm eines Rezesses, d. h. eines Beschlusses der dazu bestelltenReichsdeputation, der in einer freilich jede Form verletzenden Be-ratung vom Reichstag augenommen und vom Kaiser, wenn auchmit Vorbehalt, bestätigt wurde.

Das Ergebnis war einmal die Beseitigung der politischenOrganisation der katholischen Kirche im Reich, denn von den dreigeistlichen Fürsten, die man bestehen ließ, hatte keiner eine wirklicheBedeutung. Weltgeschichtlich war diese Thatsache sehr wichtig, dennsie ergänzte die Zerstörung der aristokratischen Verfassung der franzö-sischen Kirche durch die Revolution und machte so erst den Weg freifür die Entwickelung, die das Papsttum im 19. Jahrhundert genommenhat. Für das deutsche Reich aber bedeutete diese Säkularisation dieAuflösung seiner Verfassung, zugleich freilich den ersten notwendigenSchritt zur Bildung lebensfähiger Staaten. Mit den geistlichenGebieten verschwanden die Reichsstädte bis auf sechs, und die ganzeFülle der kleinen weltlichen Gebiete nnd mit ihnen die Brutstättender wüstesten Tyrannei. Im ganzen wurden 112 Staaten mit etwadrei Millionen Seelen beseitigt und aus ihren Gebieten die übrig-bleibenden vergrößert. Baden, Nassau und andere Staaten sinddamals und in den folgenden Jahren eigentlich erst geschaffenworden, haben wenigstens eine ganz andere Gestalt und Bedeutunggewonnen; bis dahin waren sie so unscheinbar und schwach wiemanche, die damals beseitigt wurden, und hatten nach Gebiet undKonfession eine andere, meist einfachere und einseitigere Form ge-habt. Württemberg z. B. gewann jetzt erst auch katholische Gebietevon erheblicher Ausdehnung und Bayern protestantische.

Der römische Kaiser nahm (August 1804) für seinen Haus-besitz Österreich deu Kaisertitel an, weil der Zusammenbruch desdeutschen Reiches vorauszusehen war und dann der Mangel einesdie verschiedenen Gebiete zusammenfassenden Titels sehr störend unddie Übermacht Napoleons noch empfindlicher gewesen wäre, wenn