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Politische Geschichte Deutschlands im neunzehnten Jahrhundert / von Georg Kaufmann
Entstehung
Seite
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Das Edikt über die Bauernbefreiung.

Erlaubnis bedarf, wenngleich nach wie vor jede Bcsitzveränderung den Be-hörden angezeigt werden muß. Alle Vorzüge, welche bei Gütercrbschastender adelige vor dem bürgerlichen Erben hatte, uud die bisher durch denpersönlichen Stand des Besitzers begründete Einschränkung und SuSpeusiongewisser gutsherrlicher Rechte fallen gänzlich weg.

In Absicht der Erwerbfähigkeit solcher Einwohner, welche den ganzenUmfang ihrer Bürgerpflichten zu erfüllen durch Rcligionsbegriffe verhindertwerden, hat es bei den besonderen Gesetzen sein Verbleiben.

Der folgende Paragraph gewährte die gleiche Freiheit für denBetrieb der Gewerbe: ein Bauer durfte Bürger, ein Bürger Bauerwerden, undjeder Edelmann ist ohne allen Nachteil seines Stan-des befugt, bürgerliche Gewerbe zu treiben". Auch der Edelmannwurde also von Schranken befreit, die lästig empfunden wurden,uud wir haben vielfache Zeugnisse, daß diese Befreiung von erheb-licher Bedeutung war und das Edikt erging auch grundsätzlichnicht als ein Akt zur Erleichterung der Bauern, sondern als ein Akt,der durch die allgemeine Lage des Staates und den Zustand seinerHilfsmittel geboten war. Er habe erwogen, sagte der König inder Einleitung, daß er bei der allgemeinen Not nicht jedem Einzel-nen Hilfe bringen könne,

und daß es ebensowohl den unerläßlichen Forderungen der Gerechtigkeit alsden Grundsätzen einer wohlgeordneten Staatswirtschaft gemäß sei, alles zuentfernen, was den Einzelnen bisher hinderte, den Wohlstand zu erlangen,den er nach dem Maße seiner Kräfte zu erreichen fähig war. Wir habenferner erwogen, daß die vorhandenen Beschränkungen teils im Besitz undGenuß des Gruudeigeutums, teils in den persönlichen Verhältnissen desLandarbeiters Unserer wohlwollenden Absicht vorzüglich entgegenwirken undder Wiederherstellung der Kultur eine große Kraft seiner Thätigkeit ent-ziehen; jene, indem sie auf den Wert des Grundeigentums und den Kreditdes Grundbesitzers einen höchst schädlichen Einfluß haben, diefe, indem sieden Wert der Arbeit verringern.

Wir wollen daher beides auf diejenigen Schranken zurückführen, welchedas gemeinsame Wohl nötig macht.

Indessen die in Erbnnterthänigkeit schmachtenden Bauern bil-deten doch die größte Masse der durch das Edikt Befreiten, undihre Kräfte für den eigenen Wohlstand uud für den Staat frei zumachen, war die Hauptabsicht des Ediktes. Mochte man auch derallgemeinen Tendenz gedenken und die auch andere Stände berüh-renden Bestimmungen erwägen, der Hauptgedanke blieb doch: welche

Wirkung übt das Gesetz auf die Bauern und ihre bisherigen Grund-Kaufmann, Polit. Geschichte. 4