Druckschrift 
Politische Geschichte Deutschlands im neunzehnten Jahrhundert / von Georg Kaufmann
Entstehung
Seite
228
Einzelbild herunterladen
 

228

Die Bildung der Parteien.

wurde die Ansicht der Absolntisten 18.81 in dem nassanischenDomänenstreit von dem OberappellationsgerichtSpräsidenten Müssetvertreten, der da sagte, dasz die Verfassung Nassauseine octroyierte,ein Geschenk, eine einseitige Rede der höchstseligen Regenten" sei.Bei Streit über die Quantität einer Schenkung müsse der Sinnangenommen werden, wonach der Schenkende am wenigsten weggebe,und die Auslegung der Worte der Verfassung stehe der Regierungzn, da jeder der beste Ausleger seiner Worte sei. Mit solchenArgumenten suchten die Höflinge die Gründe zu beseitigen, wo-mit die Volkskammer den erhöhten Ansprüchen des Herzogs andie Domänen entgegentrat. Dnrch Vermehrung der Herrenbank,durch schroffe Betonung, daß der Gehorsam gegen den Regentendie erste Pflicht der Beamten sei, suchte die Regierung den Wider-stand zu brechen, aber 16 von den 21 Abgeordneten erklärten, anden ständischen Arbeiten so lange nicht teilnehmen, zu können, bisdie gesetzwidrige Vermehrung der Herrenbauk beseitigt sei. Da lies;die Regierung ihre Vorlagen durch den Kammerrumpf von 5 Mit-gliedern (Fünfmännerkammer) bewilligen und schließlich (1832) jene16 Deputierten, also die dreifache Majorität, ausfchließeu und fürunfähig erklären, wiedergewählt zu werden. Danach folgten nochnichtswürdige politische Prozesse gegen die Sechzehn, von deneneiner sogar zu Korrektioushaus und znm Spinnrade verurteiltwurde.

Auch bei diesen Kämpfen um allgemeine Fragen der Verfassungwiederholte sich die Erfahrung, daß diese Staaten zu klein warensür eine kräftige und gesunde Parteibildung. Hätte Prenßen einParlament gehabt, so hätten seine Verhandlungen den Mittelpunktbilden können für das nun einmal lebhaft erwachte politische In-teresse des deutschen Volkes, und die Parteien der kleinen Parla-mente hätten eine Anlehnung gesunden. Da es fehlte, so suchteman Ersatz in der Teilnahme an den Debatten des Pariser Par-laments, das in jenen Tagen der Restauration eine Fülle derglänzendsten Talente vereinigte. Parlamentarier wie der GeneralFvy genossen in Deutschland ^eine förmliche Verehrung, und dieGrundsätze ihres parlamentarischen Lebens, die Schlagworte vorallen: der französischen Doktrinäre gewannen bei uns großen Ein-