Die Junker. Die Bedürfnislosigkeit der Zeit.
249
sie einfach durch Stellung von Treibern leisten, aber daß manüberhaupt dergleichen Zumutungen stellen dürse, daß so etwas möglichsei, das öffnete ihm die Augen für diese Müugel der öffentlichenVerfassung. Und dabei wußte er noch nicht einmal, daß dieseFronden großenteils nichts waren als verjährtes Unrecht. Derarme Bauer empsand das Entehrende dieser Frondienste weniger,aber er fühlte, daß er belastet sei, damit der Junker sich ergötzenmöge und zwar derselbe Jnnker, der von seinem Reichtum keineSteuer zahle oder nur geringe, und der nach dem neuen Recht denkleinen Bauern von Hofe treiben durfte, während das Volk wußte,daß der Bauer uoch in der vorigen Generation ein besseres Rechtgehabt hatte, und daß er mit Unrecht von dem Gesetz als ange-siedelter Knecht behandelt werde.
Die öffentliche Meinung. Die Anfänge des kleindentschen
Programms.
Das Geschlecht der Männer von 1815—1840 war erschöpftdurch Leiden und Anstrengungen. Das Bedürfnis nach Ruhe warstark. Die erwerbenden Stünde rangen mit harter Not, undOffiziere, Beamte und Gelehrte standen ebenfalls nnter dem Druckost unglaublicher Dürftigkeit. Man lebte einfach. Die Bedürfnissean Kleidung, Hausrat, Küche waren sehr gering, auch in den höchstenKreisen, selbst an den Höfen. Die aus jenen Tagen erhaltene Ein-richtung im Schlöffe des Prinzen Wilhelm, des Bruders FriedrichWilhelms III., zu Fischbach giebt noch heute davon Zeugnis, und inWeimar genügte einer Hosdame ein einziges Helles Kattunkleid fürdie ganze Ballsaison. Im geistigen Leben kannte dagegen gleichzeitigder Luxus keiue Grenzen. War es doch die Zeit Goethes und Hegels,Schleiermachers und der beiden Humboldt! Man drängte auf diehöchsten Probleme hin und spielte mit den höchsten Problemen.Das Letztere darf man nicht vergessen. Es war eine reichbegabteGeneration: sie hat ungeheure Gedanken gewagt, bei großen Ver-irrungen große Fortschritte der Erkenntnis gemacht und noch größerevorbereitet, aber sie hat auch verschwendet uud getäudelt, und siesühlte, daß sie es that. Sie sprach es selbst aus, daß sie „aus-gesogen sei durch das Übermaß der intellektuellen Bestrebungen".