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I. Vorläufer des 19. Jahrhunderts.
traktus; unsensibel sind: die Epidermis, das Fett, die serösen Häute,das Periost (?), die Knochen, die Cornea und Iris, die Blut-gefäße. Irritabilität besitzen alle Orgaue, die mit Muskelfasernversehen sind; nicht irritabel sind die Nerven, die Epidermis, dieGesäße. Sensibilität und Irritabilität finden wir an denjenigenOrganteilen, die Mnskel- nnd Nervenfasern auszuweisen haben.
Wenn auch an Hallers Lehren die moderne Wissenschaft vielesauszusetzen hat (er hatte nur ungenügende Instrumente und ver-nachlässigte die mikroskopische Untersuchung absichtlich!), so hat erdoch das große Verdienst, daß er die Physiologie, die trotz derbahnbrechenden Arbeiten eines Harvey von öden philosophischenSpekulationen umstrickt war, zu einer Forschnngswissenschaft erhob,daß er sie zur „belebten Anatomie" umgestaltete (Haeser). Erführte das physiologische Experiment ein; nur auf seineu Schulterukonnte ein Mann wie Bichat seine anatomischen Lehren ausbauen.Hat so Haller ein unsterbliches Verdienst, so sind seine Nachfolgeran dem Wust von Theorien schuld, mit dem erst die moderne Zeitaufräumte.
Es sind drei Forschergruppen, deren Werke direkt oder in-direkt auf Hallers Einfluß zurückzuführen sind: die erste Grnppe,deren Hauptvertreter William Cullen ist, faßt die Irritabilitätals Folge der Sensibilität ans, d. h. glaubt, daß der erste Gradder Reizbarkeit eben die Empfindlichkeit sei. Diesem Autor ver-danken wir den Begriff der „Nerventhätigkeit" oder mit an-deren Worten einer Theorie, nach welcher alle Lebenserscheinnngenauf den Einfluß der Nerven zurückgeführt werden. — Die zweiteGruppe, die an den Namen Brown anknüpft, stellte als höchstesPrinzip die Reizbarkeit aus; aus Brownscher Schule stammt diedeutsche „Erregungstheorie". Die dritte Gruppe hält den vonHaller geschaffeuen Dualismus: Irritabilität-Sensibilität aufrecht,aber sie überbrückt die Kluft durch Aufstellung einer höheren Krast,der „Lebenskraft". Diese, die sog. Vitalistische Methode,fand besonders in Frankreich (Montpellier ) fruchtbaren Boden. —
William C. Cullen, ein geborener Schotte, lebte von 1712bis 1790. Er wnrde nach mißlichen Lebenserfahrungen, wohl aufVeranlassung Hunters, zuerst Professor in Glasgow , dann in