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Geschichte der organischen Naturwissenschaften im neunzehnten Jahrhundert : Medizin und deren Hilfswissenschaften, Zoologie und Botanik / von Franz Carl Müller
Entstehung
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II. Anatomie und Entwickelungsgeschichte.

Konsequenzen des Materialismus und führte das Werden der or-ganischen Körper auf individuelle, unsterbliche Grundursachen zu-rück.Beim Tode ^trennt sich diese übernatürliche Kraft wiedervon der vergänglichen Materie, die Seele ist zwar mit dem Hirnvergänglich, aber das Individuum lebt in der unsterblichen Grund-ursache weiter."

Daß in dieser Lehre ein unlösbarer Widerspruch liegt, dener nirgends klarer als in seiner Gedächtnisrede auf JohannesMüller mit den Worten ausspricht:Ich erkenne ein Gebiet or-ganischer Thätigkeit und zwar das, wie mir scheint, ihr eigentüm-lichste, ans welchem uns Physik und Chemie, als die Lehren vonden allgemeinen Kräften der Materie, ganz im Stich lassen; diesesGebiet ist die Entstehung der organischen Körper. Der einmalgeschaffene Körper, das einmal so und so gebaute und gemischteOrgan, die einmal so und so konstituierte Flüssigkeit unterliegtjetzt den allgemeinen Gesetzen der Materie", das hat der großeGelehrte nicht gemerkt und so schwankt er anch zwischen denMaterialisten und denen, welche die Schlacken der Naturphilosophieuicht verloren haben, hin und her, was übrigens seinen Forschungs-resultaten keinen Eintrag thut. Im Jahre 1843 wurde Bischoffauf Betreiben Liebigs Ordinarius für Physiologie in Gießen undschon 1844 wurde ihm auch die deskriptive und vergleichende Anatomieübertragen. Die Krone der Leistungen Vischoffs muß seiner Entwicklungsgeschichte des Meerschweinchen ei es" zuerkanntwerden, einer Arbeit, die er mit dem berühmten Zoologen Leuckart,der damals noch in Gießen lehrte, vollendete und in welcher sichzum Erstaunen der beiden Forscher zeigte, daß die bei den Wirbel-tieren bisher aufgestellte Orduuug sich direkt umkehrte, indem nichtdas animale Keimblatt, sondern das vegetative das äußere war,und der Rücken des Embryo nicht nach anßen, sondern nach innengegen die Eiblase gewendet war. Erst nach 30 Jahren konntediese ungewöhnliche Beobachtung richtig gedeutet werden.

Eine wahre Freundschaft verband Bisch off mit Liebig undals dieser den Ruf nach München angenommen hatte, folgte ihmauch bald Bisch off. Er faud iu München ein reiches Feld derThätigkeit uud in Ruedinger uud Karl Voit hervorrageud be-