Vivisektion.

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Lehrsatz konnte nur auf dem Wege der Vivisektion gesunden wer-den, die Wirkungsweise der einzelnen Gehirunerven konnte nurstudiert werden, wenn man diese Nerven durchschnitten hatte,und was die Psychiatrie oder besser gesagt die Gehirnanatomieder Vivisektion verdankt, das sagt uns der eine Name Gudden —Guddeu — der Manu mit dem weichen Herzen, der trotzdem rnhigsein Messer in das Gehirn des Tieres senkte, weil er wußte, daßer dadurch neue Anhaltspnnkte fand, wie er kranken Menschenhelfen konnte. Was wüßten wir von der Wirkungsweise desXsrvus va-Aus, was von der spezifischen Energie der Sinnesuerven,wenn uns das Tierexperiment nicht den Einblick verschafft hatte?Aber auch auf anderen Gebieten war das Tier als Studiums-objekt notwendig; die Versuche mit künstlichen Fisteln des Darmesoder Magens klärten uns über die Verdauung auf uud über denStoffwechsel, und all die zahlreichen Gifte, mit denen die moderneMedizin segensreich wirkt (Morphium, Strychnin, Curare, Atropin ,Chloroform) — alle die Hunderte von „ins", welche der moderneHeilschatz in sich birgt, durften nicht am Menschen versucht werden;ohne das Tierexperimeut müßten wir ihrer entbehren. Dazu kommendie Entdeckungen von Koch und Pasteur . Auch hier mußte derFreund des Menschen erst seine Haut zum Markte tragen, bisman am Meuschen wagen konnte, das beim Tier Gelernte thera-peutisch anzuwenden.

Es ist ein Zeichen der Zeit, daß man von zwei neuen Wissen-schaften, der Biochemie und Biophysik, spricht, ein Beweis da-für, daß eben die Medizin alle ihre Hilfswissenschaften tributpflichtigmacht, um jede Neuerung, die bei dieser eingeführt, jede Ent-deckung, die im fremden Lager gemacht wird, sofort in vivo aus-zuprobieren. Wir brauchen nur an die Schnelligkeit zu denken,mit welcher die Röntgenstrahlen von den Chirurgen zu einem in-tegrierenden Bestandteil ihrer Untersnchnngsmethode erklärt wurden,so daß ein Nöntgeninstrnmentarium iu keinem größeren Kranken-haus sehlt und der Arzt mit diesen Strahlen als etwas selbstver-ständlichem operiert. Daß die Biochemie eine Notwendigkeit ist,zeigt uns Hertwig in den schönen Worten: „Wenn es Aufgabedes Chemikers ist, die zahllosen Verbindungen der verschiedenartigen

Müller, Organ. Naturiv. 6