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Geschichte der organischen Naturwissenschaften im neunzehnten Jahrhundert : Medizin und deren Hilfswissenschaften, Zoologie und Botanik / von Franz Carl Müller
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IV. Physiologie.

bei der Gärung um eine Aensratio as^uivoeg. handelt, war vondenkenden Forschern schon im 18. Jahrhundert angezweifelt worden.Der erste, der die Gärung als einen chemisch-mechanischen Akt auf-faßte, war Thomas Willis; Berzelius und Liebig bauten dieLehre weiter aus, Thenard sprach die Vermutung aus, daß dievon Leeuwenhoek schon gesehenen Krystalle in der Hefe Pflanz-licher Natur seien, und endlich gelang es Theodor Schwann (18101882), diese Vermutung zu beweisen und namentlich experimentellzu stützen. Schwann ist nicht der Entdecker der tierischen Zelle,wie vielfach angenommen wurde, aber er begründete die Zellen-lehre. So führte er den Nachweis, daß die tierischen und Pflanz-lichen Zellen morphologisch und physiologisch verglichen werdenkönnen, und daß der tierische Organismus vollständig aus Zellenzusammengesetzt ist. Die Geguer Schwanns stellten die Be-hauptung auf, daß die Gärungspilze sich nur ganz zufällig ingärenden Flüssigkeiten finden und mit der Fermeutation gar nichtszu thun haben. Dieser Einwand konnte dadurch leicht entkräftigtwerden, daß man eine gärungsfähige Flüssigkeit dnrch geeigneteVorkehrungen von der atmosphärischen Lust abschloß oder die zu-tretende Luft dnrch vorheriges Ausglühen steril machte. Es bliebnur noch die Frage zu entscheiden, ob die gärnngserregende Wirkungeine chemische (Liebig) oder eine physiologische, parasitäre (S ch wan u)ist, und hier gab Pastenr die Antwort, indem er nachweisen konnte,daß man zwei Formen von Gärungserregern zu unterscheiden hat:geformte, organisierte, deren Wirkung eine physiologische ist, undungeformte, nicht organisierte tierische oder pflanzliche Stoffe, dieeine chemische Wirkuug habeu (Enzyme). Wir müssen die Be-sprechung der Physiologie hier abbrechen, weil wir bereits die Grenzeder Bakteriologie erreicht haben.