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Geschichte der organischen Naturwissenschaften im neunzehnten Jahrhundert : Medizin und deren Hilfswissenschaften, Zoologie und Botanik / von Franz Carl Müller
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V. Bakteriologie.

sprocheu und konnten dabei andeuten, daß die Meinungen über dieWirksamkeit immer noch geteilt sind. In solchen Fragen entscheidetimmer am besten eine möglichst objektiv gehaltene Statistik. DieRedaktion der deutscheu medizinischen Wochenschrift stellte eineSammelforschung an und berichtete über 10 312 Fälle; von diesenwurden 5833 mit Serum, 4479 ohue Serum behandelt. Dieersteren hatten eine Sterblichkeit von 9,6 die letzteren vou 12,9°/^.Andere Forscher haben sehr viele höhere Zahlen: Roux 26"/g:50°/g, Heubner 21:44, Baginsky 15:48, Ganghofner 12:43.Die großen Differenzen deuten darauf hin, daß die Epidemiennicht alle gleich vernichtend sind, uud daß auch vielleicht durchZusall an einem Orte nnr schwere, an einem anderen nur leichteFälle zur Behandlung gekommen sind. Man muß, um eine zu-verlässige Statistik zu bekommen, die Kraukheitstage, an denen dieInjektion gemacht worden ist, in Berücksichtigung ziehen, und dabeiergab sich, daß die Aussichten auf die Heilung um so größer siud,je früher die Behandlung angefangen wird. Behring formulierteseine Erfahruugeu dahin, daß kanm 5 °/<> der Kranken sterben, wenn manin den ersten 48 Stunden der Krankheit die einfache Dosis ein-spritzt. Die beste Beweiskraft hat eine von Kossel ausgerechneteTabelle, uach welcher von Kranken, die am ersten Tage injiziertwurden, alle geheilt wurden. Machte man die Injektion am zweitenTage, dann hatte man noch 97°/^, am dritten Tage 87, und amsechsten Tage 47 Heilungen. Die Serumtherapie hat auch un-angenehme Begleiterscheinungen, insoferne als die Kranken Exan-theme uud Gelenkanschwellungen bekommen; diese Folgezuständesind nicht auf die Rechnung der Antitoxine, sondern des Serumszu schreiben, denn man begegnet ihnen auch, wenn man normales,sterilisiertes Serum einspritzt.

Über das Schlangengift machte Calmette hochinteressanteUntersuchungen, aus denen hervorgeht, daß die Virulenz zunimmt,je länger die Schlange nicht mehr gebissen hatte. Er verschafftesich das Gift einer großen Anzahl von Schlangen aus allen Teilender Welt und operierte sowohl mit dem Gifte selbst, wie auch mitden Autitoxineu. Es gelang Calmette, ein Heilserum gegen denSchlangenbiß zu fiudeu, welches ziemlich sicher wirkt; auch in der