272 VII- Chirurgie, Augen-, Ohren-, Zahnheilkunde.
Belpeau, er habe nie einen Todesfall von Chlorophorm gesehen.Dagegen behauptete Petrequin dasselbe vom Äther. Die Ansichtenschwankten hin nnd her und heute giebt es Lander, in denen mehrdas eine, und andere, in denen mehr das andere Anästhetikum zurAnwendung gelangt. In jüngster Zeit scheint es, als ob derÄther wieder die Oberhand bekäme. Wer weiß, auf wie lange?
Bei der Chlorophormbetünbung unterscheidet man nach Nuß-baum drei Stadien: im ersten behält der Kranke zwar noch dasBewußtsein, aber seine Sinnesempsindnngen werden schwächer undauch undeutlicher, schließlich hört das Bewußtsein auf und es folgtim zweiten Stadium die Erregung, die sich durch Lärmen undKlagen äußert. Die Pupillen werden sehr eng, aber die Schmerz-empfindung bleibt erhalten. Diese erlischt erst im dritten Stadium.Die Muskeln werden gelähmt, die eingreifendsten Operationenwerden ohne Schmerz ertragen. Wird die Narkotisierung fort-gesetzt, so erfolgt der Tod durch Lähmnng der Atmung und derCirkulation. Selten tritt dieser Zwischenfall auch schon vorher einbei Herz (Fettherz)- und Lungenkranken und auffallender Weise beiden kleinsten Operationen (Zahnziehen), während große Opera-tionen, bein denen die Kranken stundenlang narkotisiert sind, meistohne Störung verlaufen. Man rechnet ans 100 000 Chlorophormierte100—160 Todesfälle. In manchen Kliniken kommen jahrelangkeine solchen traurigen Ereignisse vor, in anderen folgen oft trotzder größten Vorsicht und trotz der reinsten Präparate mehrereaufeinander. Man kann daraus schließen, daß die eigentlicheSchädlichkeit noch nicht erkannt ist. — Da ^/z aller Todesfällesich nach der Statistik bei Zahnextraktionen ereignen, so kommtman immer mehr davon ab, bei dieser relativ wenig schmerzhaften,jedenfalls kurzdauernden Operation zur lokalen Anästhesie seine Zu-flucht zu nehmen.
Zu den ungefährlichsten Narkoticis ist das Lachgas (Stick-stoffoxydul) zu rechnen, aber es hat den Nachteil, daß es nichtsicher ist. So sah Nußbaum eiue Reihe von Fällen, in denener mit Lachgas nicht zur Betäubung kam und die Chlorophormie-ruug anschließen mußte. Die Todesfülle nach Lachgas sind äußerstvereinzelt. Es sind in der ganzen Litteratur keine zehn aufzufinden,