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Geschichte der organischen Naturwissenschaften im neunzehnten Jahrhundert : Medizin und deren Hilfswissenschaften, Zoologie und Botanik / von Franz Carl Müller
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420 VIII. Innere Medizin und deren Hilfswissenschaften.

lung des Typhus durch kaltes Wasser 1803 iu Wien von PeterFrank eingeführt, eine Methode, welche in den schrecklichenTyphusjahren 18101814 ganz überraschende Resultate ergab.Hatte schon gleich zu Beginn des Jahrhunderts Hufeland, denwir bei allen bewegenden Fragen an der Spitze sehen, dnrch seinWort dem neuen Heilverfahren viele Gönner gebracht, so wurdedie Zahl derselben noch vermehrt durch die von der HufelandschenGesellschaft im Jahre 1821 aufgestellte Preisfrage, welches diebeste Anwendung des kalten Wassers bei hitzigen Fiebern ist.Fröhlich löste die Preisfrage, nachdem schon früher Mylius inKronstadt beim Typhus keine Medikamente mehr verabreicht hatte,und nun war der Hydrotherapie der Weg in die Praxis geebnet,d. h. er wäre ihr geebnet gewesen, wenn nicht der Kampf dereinzelnen medizinischen Sekten mit der Schellingschen Natur-philosophie jede ruhige Beobachtung unmöglich gemacht hätte. DiePrincipien des Heilverfahrens waren erkannt, die Anwendungs-formen waren genau geprüft, und doch stockte die Weiterentwickeluug,bis durch einen Laien die Welt von neuem auf die Hydrotherapieaufmerksam gemacht wurde. Dieser Laie war der Ansbacher Gymnasiallehrer Oertel, der ähnlich wie später Pfarrer Kneippbei absolutem Mangel jeglicher wissenschaftlicher Vorbildung mitdem kalten Wasser alles heilen zu können vorgab und einenerbitterten Kampf gegen die Ärzte in die Wege leitete. Ihmschlössen sich eine Reihe von Naturärzten an, so der MünchenerBleile, der seines Zeichens ein Bader war, der Schuster Schatzund ähnliche Elemente. Durch seine zahlreichen Schriften, durchseinen Haß gegen die Schulmedizin und durch seine Gegnerschaftzog er die Aufmerksamkeit auf einen anderenNaturarzt", denSchlesier Vincenz Prießnitz aus Gräfenberg .

Vincenz Prießnitz (17991852), ein einfacher Bauersmann,kam durch den Umstand, daß man bei Pferden, die an Verrenkungenund Quetschungen litten, durch kalte Umschläge und EinWickelungenrasche Heilungen erzielte, darauf, daß er das Wasser auch beianderen Tieren gebrauchte, und als er einmal durch einen Huf-schlag im Gesicht verletzt worden war und einige Rippen gebrochenhatte, fühlte er am eigenen Leibe die Unzulänglichkeit der damaligen