Prießnitz.
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gab dazu noch seinen Patienten trockene Semmeln. Der dnrch dieVerödung des Körpers an Wasser hervorgerufene entsetzliche Dnrstverführte die Kranken zn den unglaublichsten Thaten, so daß sieihr mit Lehm gefärbtes Waschwasser uud noch andere Flüssigkeitenaustranken nnd an den seltenen Tagen, wo ihnen ein Glas Weingestattet war, an den sogenannten Weintagen, sich wie die Wildengebärdeten nnd die reinsten Orgien aufführten. Auch diese Kurhat bei gewissen Zuständen, namentlich da, wo es sich um dieAufsaugung von Exsudaten handelt, ihre Berechtigung, aber Schrvthkurierte ohne Wahl. Die beiden feindlichen Wohlthäter der Mensch-heit hatten Vollaus zu thun, um der Menge von Leidenden, dieihnen zuströmten, gerecht zu werden, uud auch sür Schroth setztensich zahlreiche Federu in Bewegung. In dem Kampfe zwischenWasserflut uud Trockeuheit liegt für den Kulturhistoriker eine großeKomik, nur dürfen wir uns nicht überheben uud ja nicht glauben,unsere Zeit sei besser, denn auch in uuseren Tagen hat die krankeMenschheit in ihrer Gläubigkeit Dinge gethan, die den Menschen-freund schamrot machen könnten.
Um auf Prießnitz zurückzukommen, so war er der ungleichbegabtere, und als seine Methode ihrer Hauptfehler entkleidet war,konnten auch die guten Erfolge nicht ausbleiben, die später nochdie ärztlich geleiteten Wasserheilanstalten füllten und in der An-wendung der Prießnitzschen Umschläge in der Familienpflege denNamen Prießnitz auf die Nachwelt gebracht habeu. Die Wissen-schaft blieb nicht zurück und prüfte das neue Heilverfahren, sozeichnete sich in Frankreich vor allem Flenry aus. Der EngländerArmitage studierte au Schoenleins Klinik den Einfluß deskalten Wassers auf den Ablanf des Typhus und machte bei dieserKrankheit die ersten genauen Tempernturbeobachtungen, aus denensich ergab, daß die Veränderungen der Temperatur wichtigereGradmesser des typhösen Znstandes sind, als die Beschaffenheitdes Pulses. Damit war der erste Schritt zur Wasserbehandlungder fieberhaften Krankheiten in Deutschland gethau. — Die Schwitz-methodeu vou Prießnitz studierte Preiß, dem wir anch dieErfindung der Hiuterhauptsdouche beim .^stlrmk nervosum verdanken.Über das Verhalten des Stoffwechsels unter dem Gebrauch einer