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Geschichte der organischen Naturwissenschaften im neunzehnten Jahrhundert : Medizin und deren Hilfswissenschaften, Zoologie und Botanik / von Franz Carl Müller
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IX. Geburtshilfe, Frauen- und Kinderkrankheiten.

in dieser Disciplin mit der naturphilosophischen Richtung, welchedamals als Ausfluß der Schelliugschen Philosophie der Medizinbeherrschte, brach und sich auf den realen Boden der Beobachtungbegab, auf dem er unbefangen von philosophischen Theoremen,unterstützt von der eben sich entwickelnden Pathologischen Anatomieseine Schlußfolgerungen aus deu natürlichen und pathologischenVorgängen des Geburtsaktes in der uüchterusten Weise zog."Nachdem er große Reisen gemacht hatte, kam er nach dem Todevon d'OutrePont auf den Würzburger Lehrstuhl (1845), solgteaber schon 1850 einem Rufe nach Prag , wo er schon mit37 Jahren der Tuberkulose erlag. SeineGeburtskunde"(1851) blieb unvollendet, ebenso wie seineVortrage überspecielle Pathologie und Therapie der Krankheiten desweiblichen Geschlechtes" (1851). Sein Nachfolger in Würzburg war Friedrich Wilhelm Scauzoni v. Lichtensels (18211891),dem wir ein drei Bünde starkesLehrbuch der Geburtshilfe"'verdanken (1849), welches seinerzeit in den Händen der studierendenJugend sowohl wie der praktischen Arzte fast allgemein angetroffenwurde. Er baute gleich seinem Vorgänger namentlich die Gynäko-logie weiter ans nnd zog durch seine Kunst nicht nur zahlreicheSchüler nach der ^.lroa ^ulig,, sondern auch eine reiche Klientelnach Würzburg , die den Glanz der alten Musenstadt erhöhte.Namentlich nachdem er zur Entbindung der Kaiserin nach Rußland gerusen worden war, stieg sein Ruf besonders in den Kreisen derRnssen. Von ihm stammt einLehrbuch der Krankheitender weiblichen Sexualorgane" (1857) und eine Arbeit überdie dem Weibe allein eigentümlichen Nerven- und Geisteskrankheiten(1855). Er schritt gegen das Ende seines Lebens nicht mit derWissenschaft vorwärts, so daß allmählich der Znfluß von Studentenund Patientinnen nachließ nnd da er anch die Forschungen derNeuzeit, die von allen Seiten dem alternden Lehrer geboten wnrden,nicht mehr sich zu eigen machte, so nahm er im Alter von 66 Jahrenseinen Rücktritt von der Professur, um die letzten Jahre seinesLebens auf seinem Schlosse in Oberbayern in Ruhe zu verbringen.Der liebenswürdige Lehrer, der durch seiuen mit den originellstenEinfällen gewürzten Nortrcig sein Thema interessant zu machcu