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Geschichte der organischen Naturwissenschaften im neunzehnten Jahrhundert : Medizin und deren Hilfswissenschaften, Zoologie und Botanik / von Franz Carl Müller
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504 IX. Geburtshilfe, Frauen- und Kinderkrankheiten.

gebracht: Elend und Krankheit der Eltern, welche die Lebens-schwäche der Kinder bedingt; die große Anzahl der unehelichenGeburten; die Unterlassung des Selbststillens; die Unwissenheit inden elementarsten Fragen der Ernährung; der Mißbrauch derkünstlichen Auffütterung, die sehr oft nicht nötig wäre; die Er-nährung mit ungeeigneten Nahrungsmitteln und der Mangel anhygieinischer Sorgfalt (Erkältung); Mangel an ärztlicher Hilfe beiBeginn von Gesundheitsstörungen; leichtsinnige Auswahl derAmmen; uugeuügende Beaufsichtigung der Kvsthäuser; strafrecht-liche Handlungen, welche sich unter den Begriff Kiudesmordsubsnmmieren lassen.

Bei allen denjenigen Kindern, welche nicht von der Mutteroder von einer Amme ernährt werden können, tritt die künstlicheErnährung in ihr Recht; es kommt dabei in erster Linie dieKuhmilch in Frage, welche sich aber in vielfacher Weise von derFrauenmilch unterscheidet; sie hat nach den neuesten Forschungendoppelt so viel Eiweiß und halb so viel Milchzucker, aber mehrSalze nnd Fett als die Frauenmilch. Man hat ferner gefunden,daß die Gerinnbarkeit uud Nesorptionsfähigkeit des Kaseins bei denbeiden Milchsorten sich wesentlich unterscheidet, sowie daß gewisseStoffe der Frauenmilch, wie die Nucleone und Lecithine, in derKuhmilch fehlen, sowie daß die Salze der Kuhmilch ein hohesBinduugsvermögen für die Salzsäure des Magens haben, kurzumman kam langsam, aber sicher zu der Überzeugung, daß die vonSoxhlet eingeführte Milchsterilisierung, die an sich ein ganz ge-waltiger Fortschritt in der Kinderernährung ist, doch nicht allenAnforderungen entspricht. Damit soll aber nicht gesagt sein, daßdaS Soxhletsche Verfahren, bei welchem die mit einer gewissenMenge Wasser verdünnte Kuhmilch etwa ^ Stunden gesottenwird, nicht sehr viele Vorteile brächte. Vor allem ist es das Ver-dienst Sor/Hlets, daß er die Zubereitung der Säuglingsuahruugvon einem Apparate abhängig macht, der äußerste Reinlichkeit ver-langt nnd damit ist schon eine Quelle der Infektion der Kinderausgeschlossen, außerdem giebt er ein genaues Regulativ bezüglichder Nahrungsmenge und der Verdünnung der Milch, das manchenFehler von vornherein ausschließt.