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Geschichte der organischen Naturwissenschaften im neunzehnten Jahrhundert : Medizin und deren Hilfswissenschaften, Zoologie und Botanik / von Franz Carl Müller
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Die Parcmoia.

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heit in Deutschland durch das Wort Paranoia ersetzt und begegnetensrnher vielfach auch der Bezeichnung: Wahnsinn, so daß es amPlatze ist, der Geschichte dieses Wortes etwas nachzugehen. UnterWahnsinn oder Tollheit, wohl auch Verrücktheit, verstand man jahr-hundertelang die Geisteskrankheit an sich, ohne daß damit eine eigent-liche, eingehendere Diagnose gegeben werden sollte. Jdeler unterschiedzwischen idiopathischem und sympathischem Wahnsinn, die späterenAutoreu warfen Wahnsinn mit Tobsucht und sogar mit Melancholiezusammen, Flemming schuf deu partiellen Wahnsinn (der sichwohl mit unserenfixen Ideen" deckt) und den verbreiteten Wahn-sinn; wenn auch Griesinger deu Begriff schou etwas euger faßte,so grenzte er doch, wenigstens in der ersten Auflage seines Buches,die Dementia r^i-ick^tioa, trotzdem dieselbe von Bayle schon inklassischer Weise beschrieben worden war, nicht ab und gab so zuallen möglichen Mißverständnissen nnd falschen Diagnosen Anlaß.Klarheit kam durch die oben citierte Arbeit Snells und durch diespäteren Veröffentlichungen von Westphal, Mendel, Sanderund Schafer in den Wust der Meinungen und heutzutage istman wohl darüber einig, Wahnsinn, Paranoia und Verrücktheitals identische Diagnosen auszufassen. In den älteren Gesetzbüchernfindet man den Ausdruck Wahnsinn noch hausig als Gegensatz zurNaserei, woraus geschlossen werden kann, daß damit alle auf Gruudvon Wahnideen entstandenen Geisteskrankheiten ohne weitere Klassi-fikation geineint sind.

Den Franzosen verdanken wir die Schilderung des cirku-lären Irreseins (solle a ckoudle forme), bei welchem Melancholiemit Manie abwechselt. Besonders Falret nnd Baillarger habensich nrit dieser interessanten Krankheitsform eingehend beschäftigt.In Deutschland waren es Emmerich und Pick, welche die ge-nannte Psychose beschrieben. Es dreht sich dabei meist um belasteteIndividuen nnd aufsallenderweise erkranken mehr Weiber alsMänner. Weun Manie und Melancholie ohne gesundes Zwischen-stadium aufeinanderfolgen und dann bis zum nächsten Dvppelansallein freies Intervall vorhanden ist, spricht man von tolie äckondle korme. Sind die beiden Krankheiten durch luoicla, iriter-valla getrennt, dann gebraucht man den Ausdruck kolie eirou-